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125. Rhãtien.
Was die gesamte Schweiz in ihrem Umfang Schönes
oder Schreckliches, an Wundern der Natur oder Seltsames
an Schicksalen und Sitten der Völkerschaften zeigt, das
steht wieder in einem einzigen ihrer Kantone mit den schroffsten
Gegensãätzen zusammengedrängt. Auf einem BPlächenraum
von kaum anderthalb Bundert Quadratmeilen erblickt man,
wie nirgends, ein verworrenes Labyrinth der Thäler von den
höchsten Bergen eingezäunt. Schon Dietrich von Verona,
der grosse Gotenkönig, hiels dies Land ein Netz (retia,
Rhätien), aus Gebirgen gestrickt. — Die Berge strecken
sich meistens jäh und kühn, in wildem Pormenwurf, vom
Thalboden in die höchsten Lüfte. Ihre äulsersten Gipfel
glänzen unter ewigem Schnee, mehr denn 3200 m über
dem Spiegel des Meeres. In den Schluchten und Zwischen-
rũumen der Urfelspyramiden dehnen sich droben Schneefelder
und Liswüsten aus, Man zählt da 241 Gletscher. Nur
scheue Gemsen ziehen darüber; einsame Bären, Wölfe und
Murmeltiere kennen in benachbarten Pelsen ibre Höhblen;
Lĩämmergeier und Steinadler schweben über den stummen
PEinöden am Himmel.
Unterhalb der Rismeere breitet sich dunkelgrün der
Teppich der Alpenwiesen aus, nur im höchsten Sommer von
Viesbherden besucht. Spannhohe Weidengesträuche Lapplands
erheben sich in der Nähe des unvergänglichen Winters. Erst
weiter abwärts beginnt kräftigeres Pflanzenleben, und Bäume
erheben sich. Aber es sind nicht die Bäume der milderen
Gegenden, sondern Lärchtannen und Cedern dibiriens, Arven
mit Zapfen voll essbarer Zirbelnüsse.
Die Thalgegenden hinwieder gleichen an Anmut oft den
lieblichsten der Schweiz, oft denen Tyrols an rauher Majestät.
Zwar zeigen die Halden des Gebirgs breite und tiefe Narben,
welehe die Wut der Bergströme seit Jahrtausenden hinter-
liess, aber nicht so oft, wie in Iyrol, weite Strecken kahbler
Felsen, alles Wiesenschmucks und aller Wälder beraubt, in
schauerlicher Nacktheit. Manche jener Bergströme sind
schon seit undenklicher Zeit versiegt oder haben sich zwischen
Klippen andere Bahnen gewählt. Doch verraten noch ihren
Memaligen Ausfluss ins Thal viele gegen den Fuls des Ge—
birges sanft anschwellende Hügel, kegelförmige Anhäufungen