Full text: (6., 7. [und 8.] Schuljahr) (Teil 4)

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herabgeschwemmten Pelsenschutts, nun seit Jahrhunderten 
schon mit fruchtbarem Erdreich, Wiesen und Gebüschen 
bekleidet. 
Auch in der Mitte der Thäler werden zuweilen deren 
Ebenen plöõtzlich von schroffen Hügeln unterbrochen. Ein 
Wãldehen, eine Burgruine, darauf ein Kreuz für die Andacht 
hingepflanzt, sohmüekt malerisech die plötzliche Anhöhe. Es 
sind Reste uralter Bergsturze, als sich, von den Kämmen 
und PFirsten der Alpen, Pelsenmassen lösgeten in Tagen, von 
denen kein Sterblicher mehr weils. 
Der Wechsel der Landschaftsgebilde in den rhätischen 
Thãlern stellt sich so reich dar, wie irgendwo in der Schweiz, 
aber oft weit überraschender und grossartiger. Ein Tag 
genügt, um von den Rebengeländen, Kornfeldern, Obsthainen 
und Kastanienwäldern des wärmeren Himmelsstriebs in die 
Eisgefilde Spitzbergens überzugehn; ein blosses Menden des 
Antlitzes genügt, sich von einer Gegend voller lieblichen 
Behaglichkeit in die des Entsetzens zu verlieren. Das Schöne 
und Grausenhafte ist phantastiseh zusammengereiht. Stunden- 
lange Wildnisse, auf Klippenwegen, zwischen Pelsblöcken, 
Tannenwäldern, donnernden Giessbächen und schwindel- 
erregenden Höhen und Abgründen, versetzen uns in ein lachen- 
des Thal voller Herden, Hütten und Dorfschaften. Die Hluren 
weiter, üppiger Gegenden, unter dem mildesten Himmel, sind 
von gewaltigen Strömen zerrissen. Am Rande der Wolken 
schimmern Kirchen und einsame Höfe im Himmelsglan- 
zwischen Saatfeldern und Wiesen. Im Thalgrund aber, bald 
links, bald rechts, bald am Fuls, bald an den Rippen der 
Berge, erheben Burgen romantisch ihre alten Gemäuer und 
zerfallenen Warttürme. Man zählt solcher Denkmale längst- 
vergangener Adelsherrlichkeit bei hundert und achtzig ver- 
schiedene. Nur noch einige derselben haben sieb bewohnbar 
erhalten. 
Den Zauber des erstaunlichen Wechsels zu vergrölsern, 
werden selbst Zeit und Witterung dienstbar. Die Physiogno- 
mie der Landschaft kKann sieb an einem Tage binnen weni- 
gen Stunden verwandeln. Wir bewundern noch bei reinem 
Himmel das kollosale Prachtbild der Gebirgslandschaft mit 
hren zabllosen Ortschaften, Höhen, Kirchen und Ruinen. 
Mes sehwebt da wie auf Luft, mit Duftfarben gemalt. Das 
Auge verliert sich in der schönen Hügelwelt bis zu den 
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