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Doktor und beobachtete gegen ihn ein sehr vorsichtiges Benehmen.
„Luther,“ sagte er in einem Briefe, „war bei seinen großen
Tugenden von Natur hitzig und aufbrausend. Oft mußte ich
ihm eine sklavische Unterwürfigkeit beweisen, da er zuweilen
mehr seinem Temperamente folgte, und weniger auf seine Per⸗
son und das allgemeine Beste Rücksicht nahm. Er konnte es
nicht gut leiden wenn man von seiner Meinung abwich—
Melanchthon hätte trotz seiner Gelehrsamkeit das große Werk
der Reformation nicht zustande gebräͤcht; dazu war er viel zu
sanft, zu weich und zu ängstlich. Dies fühlte er auch selbft.
„Ach,“ schreibt er einmal, ‚wenn man mich doch nicht aus
meinem Hörsaal abriefe und mich nur zum Besten der Jugend
ungestört arbheiten ließe! Das ist meine Ruhe und Freude.
Für andere Dinge bin ich zu weich und ungeschickt. ünd in
der That leistete er für die Wissenschaften Außerordentliches.
Besonders machte er sich dadurch verdient, daß er zweckmäßigere
Bücher für dieselben schrieb und die Erlernung der alten
Sprachen sehr beförderte. — Er starb 1560 zu Wittenberg
und liegt in der Schloßkirche daselbst neben Luther begraben.
Ludw. Stacke.
211. Sprüche.
Wenn es dir übel geht, nimm es für gut nur immer;
wenn du es übel nimmst, so geht es dir noch schlimmer.
Und wenn der Freund dich kränkt, verzeih's ihm und versteh:
es ist ihm selbst nicht wohl, sonst thät er dir nicht weh.
Man kann nicht immer, was man will; der ist mein Mann,
der sich bescheidet, das zu wollen, was er kann.
Wer beide Hände voll hat und noch mehr will fassen,
wird das auch, was er hat in Händen, fallen lassen.
Wenn man das Böse thut, sieht man für klein es an;
man sieht, wie groß es ist, erst, wenn es ist gethan.
Dich fürchtet, wer von dir schlimm hinterm Rücken spricht,
und dich verachtet, wer dich lobt ins Angesicht.
Dich ehrt, wer dich, wo du's verdienst, zu tadeln wagt,
und liebt, wer lieber Gut- als Böses von dir sagt.
Wem ein Geliebtes stirbt, dem ist es wie ein Traum,
die ersten Tage kommt er zu sich selber kaum.
Wie er's ertragen soll, kann er sich selbst nicht fragen;
und wenn er sich besinnt, so hat er's schon ertragen.