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vor sich — und doch war kaum der Rede wert, was die Armee
an Terrain gewonnen hatte, Konnte man das eine siegreiche
Schlacht nennen? Endet eine solche nicht mit Zurückwerfung
des Feindes und Verfolgung? Um was es sich eigentlich
handelte und was erreicht war, das wußte man ja nicht. Ist
doch auch im gewissen Sinne die Schlacht des 18. August erst
am 27. Oktober, dem Tage der Kapitulation von Metz, ge—
wonnen worden; da erst konnten die Früchte des blutigen
Kampfes geerntet werden
Auch die folgende Nacht war noch keine Rede von Quar—
tieren. Die Armee biwakierte noch immer auf dem Schlacht—
felde. Am 20. machte ich einen mehrstündigen Gang über das
Schlachtfeld und einpfing die wehmütigsten Eindrücke. Die
meisten Gefallenen waren noch unbeerdigt; ihre Zahl war zu
groß, als daß dies traurige Geschäft an einem Tage hätte be⸗
enden werden können. An einigen Stellen lagen sie buchstäblich
zu Haufen, einige ruhig als ob sie schliefen, andere in schreck⸗
licher Verzerrung. Das Leichenfeld schien sich ins Endlose
auszudehnen. Schon zwei Stunden waͤr ich gegangen, und
noch immer wandelte mein Fuß zwischen den Reihen der Ge—
fallenen. Was sonst noch ein Schlachtfeld an Bildern der
Verzweiflung aufweist, ist nicht zu beschreiben. An vielen
Stellen war der Erdboden durch Granaten aufgewühlt; zer—
hackte und durchschossene Helme, Fetzen von Uniformen, einzelne
Waffenstücke oder Teile von ihnen, Patronenhülsen, Mitrailleusen⸗
kapseln, Granatsplitter — das alles lag wie gesäet, bunt durch—
einander. Seltsamerweise fanden sich auch einige Spiele Karten
herumgestreut, ein Beweis, daß der üralte Soldatenglaube, nach
dem Karten die Kugeln anziehen sollen, noch immer besteht.
Eilig waren sie bei Beginn der Schlacht von ihren Inhabern
weggeworfen worden. Ich trat meinen Rückweg an und er—
reichte in ernster Stimmung unser Biwak bei Verneville. Gegen
Abend kam Befehl zum Abrücken. Wohin? Niemand konnte
Aufschluß geben. An einer kleinen, mit Gebüsch umgebenen
Wiese wurde Halt gemacht. „Bitte, nehmen Sie Platz, meine
Herren, unser Nachtlager!“ Einladend sah es gerade nicht aus
die Wiese war feucht, und das Stroh, das umherlag, war
offenbar schon von den Franzosen benutzt. Doch hatte unser
Divisionskommandeur für Besserung unserer Lage freundlichst
gesorgt. In der Nähe von Verneville war ein französisches
Zeltlager erbeutet worden. Auf einem Wagen wurden die Zelte