Full text: (6., 7. [und 8.] Schuljahr) (Teil 4)

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Vom Kinderbischof. 
Die Sitte des Kinderbischofs stammt in Hamburg aus dem 
14. Jahrhundert her. Unter der hamburgischen Schuljugend 
des Mittelalters darf man sich nicht lauter Kinder unter funf— 
zehn Jahren vorstellen. Außer diesen, die man Scholares sub 
jugo d. h. Schüler unter dem Joche nannte, gab es ältere, 
Scholares majores. Aus diesen letzteren wählte man die acht 
Chorschüler des Doms. Sie hießen auch Schlafschüler, 
weil sie in den Gebäulichkeiten des Domes ihre Schlafzellen 
angewiesen erhielten. Zu den Pflichten der damaligen Schüler 
gehörte der Kirchendienst. Sie dienten bei den täglichen, wie 
nächtlichen Messen und verherrlichten durch Gesang den Gottes— 
dienst. Sie dienten auch bei allen Leichenbestattungen, wie bei 
bürgerlichen Festlichkeiten, als geübte Sänger und gewandte 
Vorleser. 
Die Domschule war lange Zeit hindurch die einzige Schule 
der Stadt. Der fromme Bischof Anscharius hatte sie gestiftet. 
Sie gewann Jahr um Jahr an Bedeutung und stand in großem 
Ansehen. Aber bald vermochte sie den Anforderungen, die ge— 
macht worden, nicht mehr zu genügen. Die Stadt wuchs an 
und mit ihr die Zahl der Schüler. Da beschlossen die Mit— 
glieder der Nikolaß Gemeinde, sich selbst eine Schule zu bauen 
und auszustatten. 1281 wurde die noch heute blühende 
St. Nikolai⸗Schule gegründet. 
Da die Neustädter gleiche Rechte, wie sie die Domschule 
hatte, für sich in Anspruch nahmen, die ihnen aber das Dom— 
kapitel nicht gewähren wollte, kam es zu Streitigkeiten. Nicht 
bloß die Patrone und die Eltern führten mit Wort und Schrift 
den Streit, sondern auch die Schüler nahmen Partei. Sie 
rotteten sich zusammen: zwei Heere, die sich drohend einander 
gegenüber standen. So zogen die Domschüler und die Schüler 
von St. Nikolai durch die Straßen von Hamburg, kampflustig 
und kampftüchtig. Wenn die Neustädter Jungen riefen: „Hier 
St. Nikolas!“, so schrien die Altstädter: „Hier Sancta Maria, 
St. Anschar und unser Domscholaster!“ Dem Worte folgte 
die That, der Drohung der Schlag. Der Kampf begann mit 
der äußersten Erbitterung, und manches Opfer fiel schwer ver— 
wundet im blutigen Streit. Blut will Blut. Zu den Knaben 
gesellten sich die Erwachsenen, und Mord und Todschlag begann 
in den sonst friedlichen Straßen. Nach glücklicher Beendigung 
dieses blutigen Schuljungen-Krieges durch den Frieden von 1289,
	        
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