Full text: (Für die mittleren Klassen) (Abteilung 2, [Schülerband])

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die Helden kommen sah, ging sie ihnen mit ihren Frauen ent¬ 
gegen und fragte nach ihrem Begehr. Siegfried sagte ihr, daß 
Günther ihrer Minne begehre und mit ihr kämpfen wollte. So¬ 
gleich wurden die Vorbereitungen getroffen. Inzwischen ging 
Siegfried unvermerkt znm Schiffe, nahm seine Tarnkappe an sich 
und kehrte dann allen unsichtbar zurück. Jetzt kam von ihrem 
Ingesinde begleitet die Königin, geschmückt mit einem seidenen 
Waffenhemde und einem Panzer von eitel Gold. Vor ihr her 
trugen zwölf starke Männer den großen schweren Stein in die 
Mitte des Kampfplatzes, und der Streit hub an. Günther stand 
zaghaft; aber ungesehen flüsterte ihm Siegfried zu: „Sei ohne 
Furcht! Gieb dir den Schein, als ob dn kämpftest; mich aber 
Laß das Werk vollführen." Und schon warf Brnnhild den Speer 
mit solcher Gewalt, daß er Siegfrieds Schild dnrchdrang und 
Helle Funken ans dem Eisen stoben. Siegfried strauchelte; aber 
rasch schlenderte er seinen Speer so kräftig nach der Jungfrau, 
daß sie zu Boden sank. Voll Zornmuts sprang sie wieder auf, 
faßte den Stein mit starker Hand, warf ihn zwölf Klaster weit 
und sprang dem geworfenen in fliegendem Sprunge nach. Da 
aber hob Siegfried den wuchtigen Stein, warf ihn weit über die 
Königin hinaus, erfaßte den König mit seinem Arm und sprang 
mit ihm den ungeheuren Sprung noch weiter, als die Königin 
gethan. Da erklärte sich Brnnhild überwunden, und ihre Mannen 
huldigten dem Herrn von Burgund als ihrem Könige. Nur kurze 
Zeit noch weilten die Helden auf dem Jsenstein; dann kehrten sie, 
die Königin in ihrer Mitte, nach Worms zurück. 
Und Siegfried erinnerte Günther des Versprechens, das er 
ihm gethan. Da rief dieser die Schwester und fragte sie in 
Gegenwart des ganzen Hofes, ob sie des kühnen Siegfried Weib 
werden wolle. Errötend gab die Jungfrau das Jawort und ge¬ 
lobte sich dem Helden aus Niederland als seine Gemahlin zu eigen. 
Dann kam der Tag der Vermählung, und zu gleicher Zeit ward 
Günther mit Brunhild und Siegfried mit Kriemhild vermählt. 
Vierzehn Tage lang währte die fröhliche Hochzeit. Dann zog 
Siegfried mit seinem Weibe und seinen Gefährten zurück nach 
Niederland. Da war die Freude groß im Palaste des Königs 
Siegmund, und freudig begrüßten die Eltern die herrliche Königs¬ 
tochter der Bnrgunden. Siegmund legte Krone und Land in die
	        
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