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entrinnen; kein Teil ist in Ruhe; ja die Meißelstreifen selbst
helfen zur Bedeutung einer erstarrten Flucht. Winckeimann.
Dritter Abschnitt.
124. Die Lage Athens.
Althens landschaftliche Lage ist in der That wunderbar schön.
Du weißt, wie lieb mir die nächste Umgebung von Rom ist;
drei glückliche Jahre meines Lebens wanderte ich täglich mit immer
neuem Entzücken in der Campagna umher. Aber dennoch muß
ich es sagen, die Umgebung von Athen ist viel schöner als die
Umgebung von Rom.
Einer der günstigsten Punkte, die ganze zauberhafte Land¬
schaft zu überschauen, ist der Berg von Mnnychia. Er erhebt sich
nicht weit vom Meere; zu seinen Füßen liegt der kleine Hafen,
der mit ihm den gleichen Namen trägt. Dieser Berg beherrschte
alle Häfen der piräischen Halbinsel. Thrasybul stürzte die dreißig
Tyrannen, indem es ihm gelang, sich zum Herrn von Mnnychia
zu machen. Und alle Belagerungen Athens von der Zeit Alexan¬
ders bis auf die neuesten Freiheitskriege herab beweisen hinläng¬
lich, mit welchem Rechte schon unser alter Jugendfreund Cornelius
Nepos behauptet, daß der Meister von Mnnychia auf immer der
Meister von Athen sei.
Auf diesem Berge war ich heute. Ich fragte wenig nach den
Überresten des Athenetempels und nach den Festungsmauern und
nach den alten Zufluchtshöhlen, die sich hier noch finden. Diese
Dinge sind nichtssagend und unbedeutend gegen die Fernsicht, die
hier unser wartet. Unter uns das sonnenwarme, tiefblaue Meer
mit den nahen Inseln Salamis und Ägina und den duftig vio¬
letten Felsen von Poros und Thermia. Weiter hinüber in wun¬
derbarer Klarheit die unzähligen Buchten und Berge und Felsriffe
des langhingezogenen Küstensaumes des Peloponnes. Und wenden
wir uns dann nach der Landseite, da liegt die attische Ebene vor
uns in einer Pracht und Schönheit, die würdig zu schildern nicht
einmal die Form und die Farbe des Malers, geschweige denn
das arme färb- und gestaltlose Wort der Sprache die Kraft hat.