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Dingelstedt.
Da stärker! Und näher! Und schon ganz nah!
Gott, Dank dir im Himmel! Die Sachsen sind da!
„Ja, die Sachsen sind da!" rüst der Adjutant,
76 Der, die Zügel verhängt,
Kommt herangesprengt.
„Ihr Kronprinz hat mich zu euch gesandt:
Sie trieben den Marschall Canrobert
Aus dem brennenden Roncourt vor sich her.
so Sie hielten ihr Wort mit deutscher Treue!
Nun, ihr preußischen Garden, zum Sturm aufs neue!
Springt auf vom Boden! Die Rache ist nah
Für all das Schlachten, das euch geschah.
Zum Sturme! Zum Siege! Mit lautem Hurra
86 Zum Sturm — mit den Sachsen! — auf Saint Privat!" —
Und als sie sich trafen nach grimmem Morden,
Die Preußen von Westen, die Sachsen von Norden,
Im eroberten Kirchhof von Saint Privat, —
Da sind in Feuer und Blut die Sachsen
soUnd Preußen zu Brüdern zusammengewachsen!
Gedichte. IV, S. 128 ff.
Franz Dingelstedt.
49. Die Weser.
1. Ich kenne einen deutschen Strom,
Der ist mir wert und lieb vor allen,
Umwölbt von ernster Eichen Dom,
Umgrünt von kühlen Buchenhallen;
Den hat nicht wie den großen Rhein
Der Alpe dunkler Geist beschworen,
Er ward aus friedlichem Verein
Verwandter Ströme still geboren.
2. So taucht die Weser kindlich aus,
Von Hügeln traulich eingeschlossen,
Und kommt in träumerischem Lauf
Durch Reben nicht, durch Korn geflossen;
So windet sie mit treuem Fuß
Zum deutschen Meere sich hernieder
Und spiegelt mit geschwätzigem Gruß
Der Ufer sanften Frieden wider.
3. Doch hat sie in der Zeiten Flug
Gar manche große Mär erfahren.