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Platen. — Reinick.
Wie hast du sonst, Venetia, geprahlet
10 Als stolzes Weib mit goldenen Gewändern,
So wie dich Paolo Veronese malet!
Nun steht ein Dichter an den Prachtgeländern
Der Riesentreppe staunend und bezahlet
Den Tränenzoll, der nichts vermag zu ändern!
Ges. Werke. II, S. 105 ff.
321. Grabschrift.
Ich war ein Dichter und empfand die Schläge
Der bösen Zeit, in welcher ich entsprossen;
Doch schon als Jüngling hab' ich Ruhm genossen,
Und auf die Sprache drückt' ich mein Gepräge.
s Die Kunst zu lernen, war ich nie zu träge;
Drum hab' ich neue Bahnen aufgeschlossen,
In Reim und Rhythmus meinen Geist ergossen,
Die dauernd sind, wofern ich recht erwäge.
Gesänge formt' ich aus verschiednen Stoffen,
io Lustspiele sind und Märchen mir gelungen
In einem Stil, den keiner übertroffen:
Der ich der Ode zweiten Preis errungen
Und im Sonett des Lebens Schmerz und Hoffen
Und diesen Vers für meine Gruft gesungen.
Ges. Werke. II, S. H0.
Robert Reinick.
322. Wie die Künstler berufen wurden.
Verflossen war manch Tausend Jahr',
Seitdem die Welt erschaffen war
In Schönheit und in rechter Pracht,
Vom Herrn mit aller Lust bedacht. —
5 Da saß auf einer Wolke klar
Einst eine frohe Engelschar,
Erzählten sich vom Himmelreich,
Von Sonn' und Mond und so dergleich.
Draus hub von ihnen einer an
wUnd sprach: „Wär' es nicht wohlgetan,
Einmal zur Erde hinzusehen,
Wie's da den Menschen mag ergehen?
Das muß doch wunderlieblich sein,