Full text: Für Quarta und Untertertia (Abteilung 2, [Schülerband])

5. Der Aar, der sich schwingt zur Sonne, hält hier die erste Rast; 
Des Fittichs Kraft ist gebrochen, und Schwindel hat ihn erfaßt. 
Wollt' einer von hier zum Tale hinab ein Stieglein baun, 
Müßt', traun, ganz Tirol und Steier die Steine dazu behaun. 
6. Wohl hat die Amm' einst Maxen erzählt von der Martinswand, 
Daß schon beim leisen Gedanken das Aug' in Nebeln schwand. 
Jetzt kann er's sehn, ob dem Bilde sie treue Farben geborgt, 
Daß er's nicht weiter plaudre, dafür ist schon gesorgt! 
7. Da steht der Kaisersprosse, Fels ist sein Throngezelt, 
Sein Zepter Moosgeflechte, an das er schwindelnd sich hält. 
Auch ist eine Aussicht droben, so schön und weit zu sehn, 
Daß ihm vor lauter Schauen die Sinne fast vergehn. 
8. Tief unten ein grüner Teppich, das schöne Tal des Inn, 
Wie Fäden durchs Gewebe ziehn Straß' und Strom dahin; 
Die Bergkolosse liegen rings eingeschrumpft zuhauf 
Und schaun wie Friedhofhügel zu Maxen mahnend auf. 
9. Jetzt stößt er, Hilfe rufend, mit Macht hinein ins Horn, 
Daß es in Lüften gellet, als dröhnte Gewitterzorn. 
Ein Teufelchen, das kichert im nahen Felsenspalt; 
Es dringt ja nicht zutale des Hilferufs Gewalt. 
10. Ins Horn nun stößt er wieder, daß es fast platzend bricht. 
Hoho, nicht so gelärmet! Da hilft das Schreien nicht. 
Denn liebte ihn sein Volk nicht, was er auch bieten mag, 
Herr Max, er bliebe sitzen bis an den jüngsten Tag. 
11. Was nicht das Ohr vernommen, das hat das Aug' erkannt; 
Die unten sahn ihn schweben auf pfadlos steiler Wand. 
Gebet und Glocken rufen für ihn zum Himmelsdom, 
Von Kirche zu Kirche wallfahrt der bange Menschenstrom. 
12. Jetzt an dem Fuß des Felsens erscheint ein bunter Chor, 
Ein Priester inmitten, weisend das Sakrament empor; 
Max sieht nicht das bunte Wimmeln auf ferner Talesflur, 
Er sieht das blitzende Glänzen der Goldmonstranze nur. 
13. „Fahr wohl nun, Welt und Leben! Schwer fällt der Abschied mir. 
O unerforschlich Wesen, du winkst, ich folge dir! 
Ich schien ein Baum voll Blüten; dein Blitz hat ihn erschlagen. 
Ach, gerne hätt' er früher noch süße Frucht getragen! 
14. Ich schien ein Bauherr, türmend den Dom zu deinem Ruhm. 
Nicht durft' er ganz vollenden der Liebe Heiligtum! 
Ein Priester, plötzlich stürzend tot an des Altars Stufen, 
Er hätte gern erst Segen noch übers Volk gerufen! 
15. So mag dies Herz denn brechen, von Lieb' und Segen voll; 
So modre nun, mein Busen, der tatenschwanger schwoll! 
Verwelke, Hand! Denn nimmer krönt' deine Müh' Gedeihn. 
Nur Gottes bester Engel kann hier mein Retter sein." 
16. Er spricht's und hebr zum Himmel nun Angesicht und Arm, 
Und in die Knie sinkt er und betet still und warm.
	        
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