Full text: Für Quarta und Untertertia (Abteilung 2, [Schülerband])

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14. Weh dir, verruchter Mörder, du Fluch des Sängertums! 
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blutigen Ruhms! 
Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nackt getaucht, 
Sei wie ein letztes Röcheln in leere Lust verhaucht!" 
15. Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört: 
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört. 
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht. 
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. 
16. Und rings statt duftiger Gärten ein ödes Heideland; 
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand. 
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch. — 
Versunken und vergessen! Das ist des Sängers Fluck. 
114. Des Sängers Tvieöerkehr. 
Ludwig Uhlaiid, a. a. £., I, S. 155. 
1. Dort liegt der Sänger auf 
der Bahre. 
Des bleicher Mund kein Lied be¬ 
ginnt; 
Es kränzen Daphnes falbe Haare 
Die Stirne, die nichts mehr ersinnt. 
2. Man legt zu ihm in schmucken 
Rollen 
Die letzten Lieder, die er sang; 
Die Leier, die so hell erschollen, 
Liegt ihm in Armen sonder Klang. 
3. So schlummert er den tiefen 
Schlummer; 
Sein Lied umweht noch jedes Ohr; 
Doch nährt es stets den herben 
Kummer, 
Daß man den Herrlichen verlor. 
4. Wohl Monden, Jahre sind 
verschwunden, 
Zypressen wuchsen um sein Grab. 
2 ie seinen Tod so herb empfunden, 
Sie sanken alle selbst hinab. 
5. Doch, wie der Frühling wieder¬ 
kehret 
Mit frischer Kraft und Regsamkeit, 
Sv wandelt jetzt, vergnügt, ver¬ 
kläret, 
Der Sänger in der neuen Zeit. 
6. Er ist den Lebenden vereinet; 
Vom Hauch des Grabes keine Spur. 
Die Vorwelt, die ihn tot gemeinet, 
Lebt selbst in seinem Liede nur. 
114. Str. 1. Daphne: Nach der griechischen Sage ward die Nymphe 
Daphne in einen Lorbeerbaum verwandelt. — Str. 4. Monden: heute unge¬ 
bräuchliche schwache Form statt „Monde". 
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