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Humboldt: Über Goethes Hermann und Dorothea. 135 
phantastische Stimmung, die nun bis ans Ende des Gedichts, nur immer 
steigend :t::b wechselnd, fortdauert. So wie er hier ihr Scheinbild 
und ihre wahre Gestalt dicht nebeneinander erblickt, so wird sie ihm 
nun immerfort bald in der ruhigen Besonnenheit, in der tätigen 
Gewandtheit, die heiter und glücklich durchs Leben führt, bald in der 
schwärmerischen Größe, in der hohen Begeisterung gezeigt, die über 
das Leben hinausgeht. 
Der Ton, den der Dichter jetzt, da er noch reiner und stärker 
als bisher auf die bloße Phantasie einwirken will, zuerst anstimmt, 
ist der der Heiterkeit und Anmut. Dadurch erhält er sie leicht uub 
künstlerisch bewegt, dadurch macht er, daß, wenn er zuletzt kühner in 
die Saiten seiner Leier eingreift, vollere und mächtigere Akkorde an¬ 
schlägt, sein Lied doch nur immer ein schönes Spiel der Kunst bleibt, 
nie zur drückenden Wahrheit wird. 
An: Brunnen sehen wir das liebende Paar; 
den größer» Krug und einen kleinern am Henkel 
Tragend in jeglicher Hand, 
erscheint die Jungfrau; auf der Mauer des Quells sitzend, sehen sie 
sich im Spiegel des Wassers und grüßen sich dreister und freundlicher 
in diesen: Bilde, als ihre wirklichen Blicke es wagen. Welche Wahr¬ 
heit und Lieblichkeit in dieser Schilderung! Welche schönen Bilder 
ruft diese Zusammenkunft am Brunnen aus jener patriarchalischen Zeit 
zurück, wo Fttrstentöchter selbst Wasser zu schöpfen kamen, und der 
Bimd der Liebe und Ehe oft am rieselnde:: Quell geschlossen wurde! 
In diesen: Ton ist auch die ganze Unterredung gehalten. Vor¬ 
züglich erscheint immer das Mädchen leicht, gewandt und besonnen; 
sie kommt den: Jüngling immer gefällig und freundlich zuvor; aber 
wo er, dessen Herz immer von seinen Gefühlen schwer und gepreßt 
ist, seine Empfindungen reden lassen will, da schneidet sie ihn: in:n:er, 
nnd immer natürlich und gerade, ohne künstlich auszuweichen, auf 
eine kurze, heitere und verständige Weise den Weg dazu ab. Es ist 
ihm unmöglich, von Liebe zu sprechen; 
ihr Auge blickte nicht Liebe, 
Aber hellen Verstand, und gebot verständig zu reden. 
Welche treffende Schilderung der schönen Leichtigkeit des weib¬ 
lichen Charakters, mit welcher die Frauen, durch ihr ganzes Wesen 
idealistischer und künstlerischer gestimmt, die Liebe nur wie ein
	        
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