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zwar 'anwachsend, aber doch nach möglichst billiger Verteilung, eine
aufmerksame Verwaltung der Krongüter — wir können trotz einzelner
Mängel den Einrichtungen in Friedrichs Staate eine höchst seltene Voll—
kommenheit nicht absprechen und müssen den Kaiser als den thätigsten
Herrscher seiner Zeit, als Gesetzgeber und Gesetzanwender bewundern.
Noch seltener als dieses Seltene ist aber die gleichzeitige Beförderung
der Kunst und Wissenschaft um ihrer selbst willen. Daß der Kaiser
endlich auch als erster Naturforscher, als gekrönter Dichter, als be—
geisterter Verehrer der Frauen allen vorangeht, alle gleichsam verwandelt
und in die höchsten Kreise des Lebens hineinzieht; daß der vollste Ernst und
der heiterste Scherz, dessen menschliche Gemüter nur fähig sind, sich
hier ungestört in unendlicher Mannigfaltigkeit bewegten: das möchten
wir einzig und beispiellos in der Geschichte nennen. Ohne jene ernste
Grundlage hätte sich die heitere Seite in ein leichtsinniges, flaches
Treiben verloren, ohne diese geistigere Verklärung wäre jener Ernst in
mühselige Knechtesarbeit hinabgesunken: hier aber schienen alle Mängel
getilgt, alle Aufgaben des Lebens gelöst, nichts war zu tadeln, nichts
zu wünschen übrig, der Hof des Hohenstaufen in Sizilien vereinigte
wie in einem Brennpunkte alles, was das Leben dem Menschen wert
und in edelstem Sinne angenehm erscheinen läßt.
Nach Fr. Raumer.
36. Die Verdienste des Mittelalters.
Die Hauptelemente und die charakteristischen Bestandteile des Mittel—
alters können leicht zusammengefaßt werden, weil Einfachheit in den
Verhältnissen, in der Gesetzgebung, in den Sitten, in den Formen der
gesellschaftlichen Ordnung dessen eigentliches Wesen ausmachte. Die
Feudalverfassung, die aus dem Kriege und der Eroberung sich ent—
faltete, aber als Keim schon in den germanischen Wäldern vorgefunden
wird; das Übergewicht der geistlichen Gewalt über die weltliche, und
später der Kampf beider um die Herrschaft; das Rittertum mit der
abenteuerlichen Tapferkeit, der wilden Ungebundenheit, dem religiösen
Gehorsam, der schwärmerischen Minne und der Liebe zum Gesang, die
es belebten; die Gründung und das Emporkommen der Städte, dieser
Pflanzschulen der Freiheit und der Kultur, hier begünstigt, dort befehdet,
bald siegend, bald von den Rittern und Fürsten unterdrückt; endlich
die Leibeigenschaft, welche die Basis zu diesem Gebäude und zu dieser
Gestaltung bildete, wie der tote Boden die lebende Natur trägi: diefes
waren die Hauptumrisse des Mittelalters.
In diesen charakteristischen Zügen des Mittelalters kann jedes un—
parteiische Auge sehr leicht Verhältnisse auffassen, die, weit entfernt, den
Vorwurf der Barbarei und Sklaverei, den man dem Mittelalter macht,
zu begründen und zu rechtfertigen, vielmehr das Gegenteil beweisen