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vor seiner Gewalt des Geheimnisses, Riegel springen und die Leidenschaft
bezwungen in ihre Fessel zurückkehrt. Man sehe es, wenn es im Löwen—
zorn aus seiner Höhle tritt und den Feind durchbohrt, oder wenn es
begeistert, wie ein überirdischer Strahl zum Himmel fliegt, oder wenn
es vom Schmerz ergriffen zurücksinkt in sein eigenes Dunkel und in
dem heiligen Quell der Thränen die Schuld des eigenen wie fremden
Herzens sühnt. Gewiß, das ist das Mysterium des Geistes selbst;
das hat kein Tierauge, auch das schönste nicht, und man begreift wohl,
was die Jäger vom Blicke selbst des sterbenden Wildes erzählen, daß
es seinem vernunftbegabten Töter zu sagen scheine: es verstehe zwar
nicht, aber es ahne die geisterhafte Tiefe des menschlichen Wesens.
Aber auch das Auge ist noch nicht die höchste der leiblichen Gaben,
denn dafür kann nur die Sprache anerkannt werden. Sprechen kann
allein der Mensch, weil allein er denkt. Diese wunderbare Gabe wirkt
immer überwältigend, mag sie nun im stammelnden Schmeichellaut des
Kindes oder im erhabenen Donner des Redners sich kundgeben, folge
das Wort leisen Schrittes dem Zuge der Betrachtung, oder richte es
sich auf zum melodischen Tanze des Gesanges. In dem Zauberkreise
der Sprache liegen die bewegenden Fäden, welche von dem Herrscher
der Erde ausgehen über das ganze Gebiet der Sichtbarkeit. Denn die
ganze Erde ist dem Menschen überwiesen. Das Tier ist an eine be—
stimmte, jetzt engere, jetzt weitere Zone gebunden; aber der Mensch
setzt überall hin den freien Stab, und es ist keine Stelle auf der
Erde, auf der er nicht den Herd sich gründen, die er nicht als Heimat
lieben könnte. Wo es auch sei, nie verlassen ihn jene Kräfte seiner
Natur, die auch in dem Pescheräh des Feuerlandes noch das Siegel
seiner göttlichen Abkunft zeigen. So erscheint der menschliche Leib in
der That als ein Mikrokosmus, als ein Abglanz und Ebenbild dessen,
von dem alles Sein ausgegangen.
Aber allerdings tritt die Menschengestalt nicht überall in dieser
vollendeten und geistverklärten Schönheit entgegen, und die Wissenschaft
hat sich selbst genötigt gesehen, gewisse Urformen, Rassen des Menschen—
geschlechts zu unterscheiden, in denen jenes Ideal bald mehr, bald
weniger erkennbar wird.
Unter diesen nimmt der kaukasische entschieden die erste Stelle ein
Er ist der eigentlich geschichtliche, der erdbeherrschende Stamm. Ur—
sprünglich vielleicht an den Küsten des schwarzen und des Mittel—
meeres heimisch, hat er sich über ganz Europa, über Nordafrika, über
Arabien, Persien, Indien und einen großen Teil der neuen Welt aus—
gebreitet, überall Gesittung pflanzend und pflegend. Denn Alles, was
die Menschheit in Wissenschaft und Kunst geleistet, ist Werk dieses
rastlosen Denker- und Bildnerstammes; von ihm sind alle herrschenden
Religionen ausgegangen, und ein wirkliches Staatsleben hat sich immer
nur bei kaukasischen Völkern entwickelt. Die Verzweigungen seines
Typus sind zahlreicher und prägen sich ungleich individueller aus als