266
unmittelbar von der Tenne aus beschüttet werden. Oben im Hause
ist die um einige Stufen erhöhte Familienstube mit der Kammer für
die Eheleute, davor die Küche, zu deren beiden Seiten sich kleine
Thüren auf Hof und Garten öffnen. Steht die Hausfrau am Herde,
so beherrscht ihr Auge das ganze Haus. Diese Hausform findet sich im
ganzen Norden bis tief in Norwegen hinein. Die zweite ist die süd—
deutsche, sie wird zunächst durch den Holzbau bedingt, ist einfacher als
die niedersächsische, hat für die Familienstube einen Vorbau und an
einer oder auch der andern Seite des Hauses läuft außen am zweiten
Stock eine Gallerie her, während darunter die Thüren zu den Stallungen
sind. Während das niedersächsische Haus einen Hof hat, aber die
Giebelseite nach der Straße zugekehrt, steht das süddeutsche meist gleich
an der Straße und zwar mit der Langseite. Eigentümlich ist darin
eine gewisse trauliche Dunkelheit und Geschlossenheit in den vielerlei
kleinen Räumen. Bis in die Alpen und die Donau hinunter ist das
süddeutsche Haus verbreitet. Mehr ins Österreichische hinein, bekommt
es etwas mehr Wohlhäbiges und Helles, während in der Schweiz die
Holzverzierung zunimmt, aber auch das Dach geneigter und schwerer,
das Innere des Hauses dunkler wird. Im Westen von Deutschland,
besonders am Rhein und Main und in Thüringen herrscht die dritte
Form, die fränkische. Das Haus hat hier ein mehr bürgerliches An—
sehen mit hellen Fenstern, ist kleiner, aber fester, in der Regel von
Steinen gebaut und eingerichtet auf einen sorgsamen Anbau von
wenigen Morgen Landes. Das Vieh ist untergebracht in abgesonderten
Ställen, welche entweder neben dem Hause stehen oder demselben
angebaut sind. Endlich im Osten von Deutschland, soweit früher die
Slaven ihre Sitze hatten, begegnet uns am häufigsten die vierte Form,
welche wir die slavische nennen können. Sie ist daran kenntlich, daß
das Haus ein kleines Viereck einnimmt, sei es nun aus Erde und
Lehm oder Stein oder Holz gebaut; sowohl zu den Vorratsräumen als
für die Stallungen sind besondere kleine Häuser neben das Wohnhaus
gebaut. — Überall nimmt in Deutschland auch auf dem Lande die
willkürliche Einrichtung des Hauses bei Neubauten und Ausbesserungen
je nach zufälligem Gefallen oder Bedürfnis überhand. Selten baut
ein Bauer noch ein Haus streng in der Weise seines Landes, eine
kleine Verbesserung oder sonstige Neuerung müsse, glaubt er, daran
angebracht werden.
Daß wir nun bei solcher Willkür und Regellosigkeit, wie sie jetzt
in Bau und Einrichtung unserer Häuser und in unsern Haussilten
überhaupt besteht, uns gerade schlecht befinden, kann man gewiß nicht
sagen, die Fülle und Energie der neuen Ideen, welche jetzt die Welt
bewegen, die riesige Macht der Literatur, die ungeheuern Eroberungen
auf dem Felde der Naturwissenschaften, das alles giebt die Bürgschaft,
daß die Kulturvölker sich nur in einem Zustand der Erneuerung und
des Übergangs befinden. Nach Löher.