Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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unmittelbar von der Tenne aus beschüttet werden. Oben im Hause 
ist die um einige Stufen erhöhte Familienstube mit der Kammer für 
die Eheleute, davor die Küche, zu deren beiden Seiten sich kleine 
Thüren auf Hof und Garten öffnen. Steht die Hausfrau am Herde, 
so beherrscht ihr Auge das ganze Haus. Diese Hausform findet sich im 
ganzen Norden bis tief in Norwegen hinein. Die zweite ist die süd— 
deutsche, sie wird zunächst durch den Holzbau bedingt, ist einfacher als 
die niedersächsische, hat für die Familienstube einen Vorbau und an 
einer oder auch der andern Seite des Hauses läuft außen am zweiten 
Stock eine Gallerie her, während darunter die Thüren zu den Stallungen 
sind. Während das niedersächsische Haus einen Hof hat, aber die 
Giebelseite nach der Straße zugekehrt, steht das süddeutsche meist gleich 
an der Straße und zwar mit der Langseite. Eigentümlich ist darin 
eine gewisse trauliche Dunkelheit und Geschlossenheit in den vielerlei 
kleinen Räumen. Bis in die Alpen und die Donau hinunter ist das 
süddeutsche Haus verbreitet. Mehr ins Österreichische hinein, bekommt 
es etwas mehr Wohlhäbiges und Helles, während in der Schweiz die 
Holzverzierung zunimmt, aber auch das Dach geneigter und schwerer, 
das Innere des Hauses dunkler wird. Im Westen von Deutschland, 
besonders am Rhein und Main und in Thüringen herrscht die dritte 
Form, die fränkische. Das Haus hat hier ein mehr bürgerliches An— 
sehen mit hellen Fenstern, ist kleiner, aber fester, in der Regel von 
Steinen gebaut und eingerichtet auf einen sorgsamen Anbau von 
wenigen Morgen Landes. Das Vieh ist untergebracht in abgesonderten 
Ställen, welche entweder neben dem Hause stehen oder demselben 
angebaut sind. Endlich im Osten von Deutschland, soweit früher die 
Slaven ihre Sitze hatten, begegnet uns am häufigsten die vierte Form, 
welche wir die slavische nennen können. Sie ist daran kenntlich, daß 
das Haus ein kleines Viereck einnimmt, sei es nun aus Erde und 
Lehm oder Stein oder Holz gebaut; sowohl zu den Vorratsräumen als 
für die Stallungen sind besondere kleine Häuser neben das Wohnhaus 
gebaut. — Überall nimmt in Deutschland auch auf dem Lande die 
willkürliche Einrichtung des Hauses bei Neubauten und Ausbesserungen 
je nach zufälligem Gefallen oder Bedürfnis überhand. Selten baut 
ein Bauer noch ein Haus streng in der Weise seines Landes, eine 
kleine Verbesserung oder sonstige Neuerung müsse, glaubt er, daran 
angebracht werden. 
Daß wir nun bei solcher Willkür und Regellosigkeit, wie sie jetzt 
in Bau und Einrichtung unserer Häuser und in unsern Haussilten 
überhaupt besteht, uns gerade schlecht befinden, kann man gewiß nicht 
sagen, die Fülle und Energie der neuen Ideen, welche jetzt die Welt 
bewegen, die riesige Macht der Literatur, die ungeheuern Eroberungen 
auf dem Felde der Naturwissenschaften, das alles giebt die Bürgschaft, 
daß die Kulturvölker sich nur in einem Zustand der Erneuerung und 
des Übergangs befinden. Nach Löher.
	        
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