276
burg; und wenn man seine langen Korridore hinabgeht oder seine
Treppen hinaufsteigt bis zu der Höhe des Turmes, so mögen einem
wohl die Schatten von Kaisern und Königen begegnen, die hier alle
einmal in entfernten Zeiten geherbergt. Äber trotz dieser Größe, die
auf ihm ruht, ist es ein gutes, gar trauliches und gemütliches Haus,
wo der Fremde sich behaglich und heimisch fühlt.
Doch nicht nur die Herberge Karls V. und der alte dreieckige
Haidplatz davor mit dem alten Brunnen und der Justitia in der Mitte
und alle die alten Häuser ringsum erwecken in uns diese mittelalterlichen
Stimmungen: es sind vielmehr in den Ecken und Winkeln dieser Stadt
mehr als in irgend einer andern Reste und Reliquien des hl. römischen
Reiches deutscher Nation zurückgeblieben, welches, wie man weiß, am
6. August 1806 hier des Todes verblichen ist. Viele von den allen
Herrlichkeiten desselben hat Ratisbona nicht geschaut; es nahten bereits
die Zeiten des Verfalls, als in den wüsten Glaubensstreitigkeiten, die
dem dreißigjährigen Krieg vorangingen, der Reichstag hier in der
Halle des Rathauses 1541 zum erstenmal saß; und jener Krieg hatte
Deutschland schon zu einer Beute der Franzosen und der Schande
gemacht, als die Versammlung 1663 ihren permanenten Sitz in dieser
Stadt nahm, um sie nicht mehr zu verlassen, bis es kein Deutschland
mehr gab. Noch kann man den großen Saal sehen mit seiner braun⸗
getäfelten Holzdecke und seinen vergoldeten Rofetten, in welchem die
Reichsstände saßen auf Sesseln oder Stühlen, je nach der Rangordnung
auf oder neben dem Teppich, um dessen Fetzen hartnäckig gekämpft
ward, während draußen die Reichsländer verloͤren gingen. Noch sieht
man durch diese tiefen Fenster mit den kleinen, runden bleigefaßten
Scheiben auf die alte Straße hinab wie damals; dort am unteren
Ende neben dem prächtig verzierten Portal ist die Tribüne für die
Musikanten, welche Tusch bliesen, wenn irgend ein hochmächtiger Gesandter
eintrat. Gegenüber auf einer Erhöhung steht der Thronsessel für den
Kaiser, rotgepreßtes Leder, die Rücklehne mit dem Reichsadler geschmückt,
ein Lorbeerkranz ringsum und die Jahrzahl von 1671. der Griff
der Armlehne ist mit Messing beschlagen und mit den gekreuzten Schlüsseln,
dem Wappen der freien Reichsstadt Regensburg verziert. Still und
ausgestorben ist es jetzt in dem weiten, bis auf jenen Thron ganz
leeren Saal; es ist ein Geruch darin wie von vermoderndem Holz,
und in den Nächten wird man wohl auch den Holzwurm picken hören.
Nebenan ist das Kurfürstenzimmer, gleichfalls braun getäfelt und mit
schönen Gobelins aus dem 15. und 16. Jahrhundert bespannt. Wenn man
aus demselben heraustritt, so fällt der Blick auf einen mächtigen Reichs—
adler, über welchem eine Bischofsmütze prangt.
Zu jener Zeit war Regensburg das, nur in einem weit ausge—
dehnteren Maße, was später Frankfurt am Main geworden. Noch
stehen viele schöne Paläste, in welchen die Gesandten der fremden Mächte
residiert, und eine Straße, welche die meisten von ihnen bewohnten,