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ich mich mit Messen und Zeichnen unterhielt und abmüdete, desto mehr
wuchs meine Anhänglichkeit, so daß ich viele Zeit darauf verwendetle,
teils das Vorhandene zu studieren, teils das Fehlende, Unvollendete,
besonders der Türme in Gedanken und auf dem Blatte wieder—
herzustellen. Göthe.
69. Die Alhambra.
Mitten in einer Provinz, die von der Natur mit den herrlichsten
Reizen überschüttet und durch menschlichen Fleiß unter der Herrschaft
weiser Fürsten in einen blühenden Garten verwandelt war, bot Granada
nach dem Falle der übrigen Besitzungen in Spanien die letzte Zuflucht
für die Mauren dar. Es war der Boden, der die höchste Entfaltung
dieser eigentümlichen Cultur, aber auch ihren Untergang sehen sollte.
Auf dem steilen Hügel, welcher die Stadt überragt, erhebt sich das
Kleinod maurischer Baukunst, die Burg Alhambra. Sie wurde im
Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts aufgeführt und erhielt selbst im
15. Jahrhundert, kurz vor der Vernichtung der maurischen Herrschaft,
noch Vergrößerungen. Unter Karl V. wurde ein Teil der Gebande
zerstört, um einem düsteren, unvollendet gebliebenen Palast zu weichen.
Der größte Teil des maurischen Schlosses ist dagegen wohl erhalten
und zeugt von der hohen Vollendung, deren jener originelle Stil
fähig war.
Auch hier tritt uns das Grundgesetz maurischer Architektur, vermöge
dessen das Außere ernst und schmucklos gehalten, das Innere dagegen
in reichster Prachtentfaltung durchgeführt wurde, deutlich entgegen.
Diese starren, mächtigen Mauermassen mit den kräftigen Türmen haben
einen kriegerischen, abwehrenden Charakter. Aber hineingetreten, ist
man plötzlich wie von einem Zauberbann umfangen, geblendet fast von
der ungeahnten Herrlichkeit. Wie überall in den Bauten des Orients
gruppiert sich hier die ganze architektonische Anlage um offene, von
Säulenhallen umgebene, mit Wasserbassins und Springbrunnen aus—
gestattete Höfe, an welche sich eine Menge kleinerer Räume, Zimmer,
Corridore und Säle in bunter Anordnung reihen. Treten wir durch
den an der Südseite liegenden Eingang, so gelangen wir in einen
länglich viereckigen, freien Hof, den Hof der Alberca, auch Hof der
Bäder oder Myrtenhof genannt. Ein großes, mit Myrten eingefaßtes
Bassin hat ihm den doppelten Zunamen gegeben. Auf den beiden
schmalen Seiten begrenzt ihn eine auf je sechs Säulen ruhende Halle,
während auf den Langseiten die Mauern der Palastflügel ihn einschließen.
Ehe wir uns zu den inneren Räumen wenden, lenken wir unsere
Schritte nach dem der Eingangshalle gegenüber an der Nordseite
liegenden, turmartig mit ungeheuren Mauern vorspringenden Teile.
Er umfaßt den prachtvollen „Saal der Gesandten“, einen großen
quadratischen Raum, den eine reich bemalte, aus Holz zusammengesetzte