Full text: Mittelalter (Teil 2)

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standen im sog. Wehrgeld, einer Geldbuße, die für jedes Vergehen und 
jede Verletzung an Gut, Ehre und Leib gezahlt wurde, wobei Stand und 
Geschlecht des Geschädigten in Betracht kamen. Ein Vergehen gegen 
einen Freien wurde doppelt so hoch bestraft als gegen einen Hörigen, gegen 
eine Frau hoher als gegen einen Mann. Todesstrafe bestand nur gegen 
Unfreie und Landesverräter; Feiglinge und Unzüchtige wurden in Sumpf 
und Moor geworfen. 
Statt des Herkommens kamen in der Folge Sammlungen 
von Rechtsgewohnheiten auf, wie im 13. Jahrhundert der Sachsen¬ 
spiegel für Norddeutschland, und der Schwabenspiegel für Süd- 
deutschlaud. Die Gottesurteile kamen im 15. Jahrhundert ab, län¬ 
ger erhielt sich die Tortur oder Folter, welche angewandt wurde, 
um ein Geständnis zu erpressen, das nachher ohne Folter wieder¬ 
holt werden mußte. *) 
Von besonderer Bedeutung waren die Fehmgerichte oder 
die heilige Fe hm (Vehm). Eigentlich ein Rest der alten ger¬ 
manischen Gerichtsbarkeit, waren sie ordentliche kaiserliche Gerichte, 
namentlich in Westfalen (aus roter Erde), wo sich altgermanisches 
Wesen am längsten hielt, und verwandelten sich erst in späterer 
Zeit, wo bei der Zunahme der Verbrechen der Kläger kein Recht 
mehr fand, in heimliche Gerichte. 
Die Freischöffen (Wissende) traten unter freiem Himmel, und zwar an¬ 
fangs nicht an verborgenen Orten in der Stille zusammen, besonders an 
alten Malstätten. Die strenge Gerechtigkeit und die altherkömmliche Feierlich¬ 
keit verlieh diesen Gerichten ein chrsurchtgebietendes Ansehen. Da sie aber 
in einer gewalttätigen Zeit selbst verfolgt wurdeu, jo hielten sie ihre Sitzungen 
nachts in unterirdischen Räumen, und die Richter erschienen vermummt. 
Die Wissenden mußten christlicher Geburt und von sittlichem Wandel sein 
und bei ihrer Aufnahme einen feierlichen Eid schwören, das Geheimnis des 
Gerichts zu bewahren und jedes vor die hl. Fehm gehörige Verbrechen zur 
Anzeige zu bringen. Die Zahl der Wissenden soll auf 100 000 gestiegen 
fein, die ungekannt sich selbst an gewissen Zeichen erkannten. Aus den 
Wissenden wurden die Freischöffen zur Bildung der Freigerichte (Freistühle) 
gewählt, in denen der Freigras, vor dem Dolch und Strick lag, den Vorsitz 
führte. Die Freigrafen eines Landesgebietes standen unter dein Stuhlherrn, 
die Stuhlherren unter dem Kaiser, der bei seiner Krönung unter die Zahl 
der Wissenden ausgenommen ward. Der Angeklagte wurde durch eine an 
*) Friedrich der Große schasste zuerst in Deutschland die Tortur ab.
	        
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