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Herr Walther war ein Dichter auch und Länger der schönsten
Lieder. Das Mädchen, das er mit dem Feldrosenkranz schmückte, die
hohe Frau, der er die Kleinode seiner Kunst darbrachte, sind unsterblich
geworden. Seine Liebeslieder sind süß und sanft. Rber er war auch
ein Dichter der Männer: ein strafender und zürnender, ein rügender
und lehrender Dichter, der hoch und niedrig ohne Furcht und Tadel
das Gute und Rechte wies und Zucht und Sitte, Ehre und Tugend
vom Könige forderte wie vom schlichten Manne.
7. Aus Freidanks „Bescheidenheit".
1. Von Gott.*)
Gott dienen ohne Wank,
ist aller Weisheit Anfang.
Wer uni diese kurze Zeit
läßt die ew'ge Seligkeit,
der hat sich selber ganz betrogen
und zimmert auf den Regenbogen
Wer die Seele will bewahrn,
der muß sich selber lassen fahrn.
Wer Gott minnet, wie er soll,
des Herz ist aller Tugend voll.
2. Vom Menschen.
Wer so recht erkennen kann
sich selber, ist ein weiser Mann.
Könnt' ich mich selber gar besiegen,
all' meine Not wär' überstiegen.
Man wird bei guten Leuten gut
und bös bei dem, der Übles tut.
Reines Herz und guter Mut
sind in jedem Kleide gut.
Ich schelte das an manchem Mann,
was selber ich nicht meiden kann.
*) Original: Von
Gote dienen sine wanc
deist aller wisheit anevanc.
Swer umbe dise kurze zit
die ewigen vröude git,
der hat sich selben gar betrogen
unt zimbert üf den regcnbogen.
Des Mannes Witz zu Ende geht,
wenn er in großen Zorn gerät.
Verständig Sprechen ist viel wert;
gesprochnes Wort nicht wiederkehrt.
Will einer wissen, wer er sei,
der schelte seiner Nachbarn drei;
wenn ihm die zweie das vertragen,
der dritte wird es ihm wohl sagen.
Wer Ehr' und Tugend will er¬
streben,
der muß den eignen Sinn aufgeben.
Zoto.
8wer die sèie wil bewarn,
der muo$ sich selben lazen varn.
Swer got minnet als er sol,
des herze is aller tugende voi.