Full text: Deutscher Frühling (Band 6 = Klasse 4, [Schülerband])

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schwand. Er ließ sich herab und lugte vergebens in das tiefe 
Dunkel hinein; dann, von einem plötzlichen Gedanken erfaßt, flog 
er stromabwärts nach dem Ende des Tunnels und erwartete das 
Auftauchen des treibenden Brotes. Als es die Strömung denn 
auch richtig ans Tageslicht brachte, packte er es und trug es im 
Triumph davon. 
Silberfleck war eine Krähe von Welt, sein Leben war an Er¬ 
folgen reich, und er lebte in einer Gegend, die, obwohl voll von 
Gefahren, Nahrungsmittel die Fülle bot. Jedes Jahr wuchs in 
seinem alten, verwitterten Nest eine junge, kräftige Brut heran, 
und dort verlebte er glückliche Zeiten mit seiner Gattin, die ich 
leider von den anderen Krähen nicht zu unterscheiden vermochte. 
Wenn dann die Krähen sich wieder versammelten, wurde er stets 
einstimmig zum unbeschränkten Führer und Herrscher erwählt. 
Die große Versammlung findet ungefähr Ende Juni statt. Die 
jungen Krähen mit ihren kurzen Schwingen, ihren flaumigen 
Flügeln und ihren Falsettstimmen werden dann mit Stolz von 
den Eltern herbeigebracht, denen sie fast an Größe gleichen, und 
werden im alten Fichtenholz, ihrer Festung sowohl als ihrer 
Bildungsstätte,«der Gesellschaft vorgestellt. Hier finden sie luftige, 
sichere Schlupfwinkel ohne Zahl, hier beginnt ihre Erziehung, 
hier werden ihnen alle die wichtigen Geheimnisse und Regeln 
des Krähenlebens beigebracht. Und diese sind von größter 
Wichtigkeit, denn ein einziger Mißerfolg im Krähenleben bedeutet 
— Tod. 
Die ersten zwei Wochen nach der Ankunft werden die 
Jungen sich selbst überlassen, um miteinander bekannt zu werden; 
denn jede Krähe muß alle anderen, die zum Heere gehören, per¬ 
sönlich kennen. Ihre Eltern ruhen sich inzwischen etwas aus 
von der Arbeit, die ihnen das Aufziehen und Großfüttern ihrer 
Kinder gemacht; denn diese können jetzt ihrer Nahrung Selbst 
nachgehen und unbehütet, in einer Linie aufgereiht, auf einem 
Aste sitzen wie die Alten. 
In einer Woche oder zwei tritt die Zeit der Mauserung ein. 
Die Alten sind während dieser Periode meistens recht unbe¬ 
rechenbar und nervös, aber dies hält sie nicht ab, die Erziehung 
der Jungen zu beginnen. Diese sind natürlich nicht besonders 
entzückt von den Strafpredigten und Maßregelungen, die sie über 
sich ergehen lassen müssen, nachdem sie bis dahin noch Mamas 
Lieblinge waren. Aber es geschieht alles nur zu ihrem Besten.
	        
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