Full text: Für Klasse 3 (achtes Schuljahr) und die Untertertia der Studienanstalten (Teil 7, [Schülerband])

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Namen Engelhard und Engeltrüt besser zusammenstimmen als 
Engeltrüt und Dietrich. 
Einen erheblichen Mangel hatten diese altdeutschen Namens¬ 
bildungen: sie waren zu lang, zu unbequem für den alltäglichen Ge¬ 
brauch. Sie mußten deshalb erhebliche Veränderungen über sich er¬ 
gehen lassen. Wie wir heute aus Charlotte Lotte machen, aus 
Elise Lise, aus Johannes Hans, aus Nikolaus Klaus, also 
nur die Silben beibehalten, die den stärksten Ton haben und beim 
Rufen fast allein vernommen werden, ebenso mußten sich die altdeutschen 
Namen starke Verkürzungen gefallen lassen. Die gekürzten Formen — 
man pflegt sie Koseformen zu nennen — sind auf doppelte Weise ent¬ 
standen. Entweder ist einer der beiden Bestandteile, und zwar fast 
immer der zweite, ganz weggeworfen. Der übriggebliebene Teil zeigt 
dann die Endung o oder i. So wurde z. B. aus Ingraban ein 
Ingo; Gustav Freytag hat daher keinen glücklichen Griff getan, als er 
mit Ingo und Ingraban zwei verschiedne Persönlichkeiten bezeichnete. 
Neben Kuonrat steht die gekürzte Form Kuno, neben Volkwart 
Folko. War das erste Glied des Namens schon selbst ein abgeleitetes 
Substantiv, so konnte in der Koseform auch noch das Suffir weg¬ 
geworfen werden: von Ebarhard wurde gebildet Ebaro, Ebo; von 
Irminrich (—Ermenrich) ein Irmino, Irmo; von Ragin- 
bald ein Ragano und Rago. Die Endung i ist bis auf den heutigen 
Tag besonders im Alemannischen lebendig: hier wird aus Konrad 
Kuoni, aus Rudolf (Hruotwolf, Ruhmwolf) Ruodi, aus Wal¬ 
ther (Waltend-Heer)Wälti. Man kann nicht umgekehrt mit gleicher 
Bestimmtheit sagen: Wälti ist aus Walther entstanden, denn man 
sieht leicht, daß bei dieser Methode der Kürzung ein und dieselbe Kose¬ 
form zu sehr verschieden Namen gehören kann. Gero z.B. ist Kürzung 
aus Gerbert (speerglänzend), Gerhard (speergewaltig), Gernot 
(Speer-Not), Eerwig (Speer-Kampf), Gerwin (Speerfreund) u. a. 
Neben diesen altgermanischen Stamm von Namen trat mit dem 
Eindringen des Christentums eine Fülle von ausländischen Namen, teils 
hebräischen, teils griechischen und lateinischen Ursprungs. 
Diese Namen der Kalenderheiligen erfahren ganz ähnliche Ver¬ 
kürzungen und Verkleinerungen, wie sie in den Koseformen der echt 
deutschen Bildungen vorliegen: Nikolaus erscheint als Nickel und 
als Klaus, Johannes als Johann, John, Jan, Hannes, 
Hans, Hansel.
	        
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