Full text: [Klasse 4 bis 1 (Band 5A, 5B und 6), [Schülerband]] (Klasse 4 bis 1 (Band 5A, 5B und 6), [Schülerband])

12 
Lesestücke aus der Kriegsliteratur. 
und herzensgute. Die Masse der Namenlosen ist der Held. Da schreibt 
einer, ein Handwerker oder Bauersmann, von seinen Erlebnissen: „Lagarde 
ist wie alle Lothringer Dörfer, nur größer; es liegt am Rhein-Marnekanal 
und ist Zollstation. Alle Lothringer Dörfer sind lange nicht so schön wie 
die Dörfer in Deutschland; sie haben so kahle Häuser, weiß getüncht, mit 
wenig Fenstern und einem Misthaufen gerade vor dem Haus." So beginnt 
er mit seiner deutschen Lehrhaftigkeit, und liebevoll muß er seiner hübschen 
Heimat gedenken, und dann erst kommt das Kriegerische. Ruhig, ohne Er¬ 
regung spricht er von dem Verrat der Dörfler, von seinen Märschen und 
von dem Angriff: „Es war bald Mittag und glühend heiß. Ganz blauer 
Himmel. Ein Flieger, ganz hoch, warf Bomben, aber die taten uns nix. 
Aber vor uns auf dem Kirchturm schossen die Franzosen wie toll mit einem 
Maschinengewehr, das sie heraufgeschleppt hatten, und von den Schiffen und 
von den Fenstern und aus den Gärten haben sie geschossen. Alles, was 
noch in Deckung lag, ist jetzt heraus. Der Tambour hat geschlagen, und da 
sind wir mit aufgepflanztem Seitengewehr zum Sturm auf die Brücke hinauf. 
Die Offiziere immer voran. Was mein guter Hauptmann ist, wie der aus 
der Hecke 'rauskommt, hat er eine Kugel weg, und tot war er, ehe er noch 
ein Wort sagen konnte . . . Jammerschade um ihn! Er sah so schön aus, 
in der Scheune, in die sie ihn nachher getragen haben, als wollte er sagen: 
,Ich hab' meine Pflicht getan' . . . Für meinen Herrn müssen drei Franzosen 
dran glauben!" . . . Wie prächtig spricht er von seinem Hauptmann; daß er 
selbst auch ein Held ist, darüber verliert er kein Wort. Aber er'läßt auch 
keinen Schimpf auf die Feinde fallen, nicht einmal auf die Franktireurs und 
die Gefangenen, die ihm zeigen, wie man die Geschosse mit einem Blech 
noch besonders schlimm machen kann. 
And ein anderer Brief möge hier noch stehen, weil er jene Strenge offen- 
bart, die das Leben vom ersten Schuljahre an dem Deutschen in die Brust 
hineinhämmert: „Während der Operation, die in einer als Lazarett eingerich¬ 
teten Kirche stattfand, schlug eine Granate oben ins Kirchenfenster. Ein Teil 
der bei der Operation Beschäftigten beugte sich instinktiv zur Seite, ein anderer 
Teil verschwand unter dem Operationstisch, und ein dritter Teil suchte sich 
in rascher Flucht in die Sakristei und hinter den Altar zu retten. Klirrend 
fahren die Sprengstücke und Steine durch die Kirchenfenster, Teile der Glas¬ 
gemälde und Stücke des Deckenverputzes poltern herab auf die rötlichen Fliesen. 
,hier wird operiert!' spricht kaltblütig der Operateur; ein energisches ,Jeder bleibt 
auf seinem Posten!' seines Assistenten läßt rasch die Leute unterm Operiertisch 
und hinterm Altar hervoreilen. Ruhig, als wenn wir uns im Operationssaale 
einer Klinik befänden, arbeiten wir weiter und suchen Gefäße und Nerven, 
unterbinden und nähen Muskel auf Muskel zu einem brauchbaren Stumpf..."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.