Hort dieser geistigen Einheit, der Mann, in dessen Gedächtnis sich
Jahrhunderte hindurch alle deutschen Herzen immer von neuem erheben
und begeistern werden, ein Vorbild der Tugenden, welche unser Vater¬
land auf der Höhe erhalten werden, zu welcher er es geführt hat,
wenn wir seinem Wahlspruch folgen: Alle Zeit — Treu bereit — s
Für des Reiches Herrlichkeit!
III. Briefe.
65. Goethe an Charlotte von Stein.
Goethes Briefe an Frau von Stein, hrsgeb. von K. Heinemann. Stuttgart (Cotta).
Bd. I o. I.
Clausthal, den 11. (Dezember 1777) abends.
Heute früh bin ich vom Torfhause über die Altenau wieder
zurück und habe Ihnen viel erzählt unterwegs. O, ich bin ein ge¬
sprächiger Mensch, wenn ich allein bin!
Nur ein Wort zur Erinnerung! Wie ich gestern zum Torfhause s
kam, säst der Förster bei seinem Morgenschluck in Hemdsärmeln, und
diskursive redete ich vom Brocken, und er versicherte die Unmöglichkeit
hinaufzugehen, und wie oft er Sommers droben gewesen wäre und
wie leichtfertig es wäre, jetzt es zu versuchen. Die Berge waren im
Nebel, man sah nichts. „Und so," sagte er, „ist's auch jetzt oben; io
nicht drei Schritte vorwärts können Sie sehen. Und wer nicht alle
Tritte weist pp." Da säst ich mit schwerem Herzen, mit halben Ge¬
danken, wie ich zurückkehren wollte. Und ich kam mir vor wie der
König, den der Prophet mit dem Bogen schlagen heistt, und der zu
wenig schlägt. Zch war still und bat die Götter, das Herz dieses is
Menschen zu wenden und das Weiter, und war still. So sagt er zu
mir: „Nun können Sie den Brocken sehen." Ich trat ans Fenster,
und er lag vor mir klar wie mein Gesicht im Spiegel. Da ging
mir das Herz auf, und ich rief: Und ich sollte nicht hinaufkommen!
Haben Sie keinen Unecht, niemanden? — Und er sagte: „Ich will 20
mit Ihnen gehen."-Ich habe ein Zeichen ins Fenster ge¬
schnitten zum Zeugnis meiner Freudentränen, und wär's nicht an
Sie, hielt ich's für Sünde, es zu schreiben. Ich hab's nicht geglaubt
bis auf der obersten Klippe. Alle Nebel lagen unten, und oben
war herrliche Klarheit, und heute nacht bis früh war er im Mond- 25