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an seinem Volk. Noch sproßte kaum der Rasen auf dem einsamen Grab
am Ufer des Havelsees, da brachte das Schicksal den glühenden Wünschen
dessen, der dort ruhte, die überschwängliche Erfüllung. Da klirrte durch
die Marken der Lärm der Waffen; da wies ein andrer, ein größerer
Prinz von Homburg durch eine rettende Tat unserm Volk den Weg
zum Sieg; da dröhnten über das befreite Land die Donner einer andern
Hermannsschlacht, die herrlicher, menschlicher war als des Dichters Traum¬
bild. Vielleicht daß einmal unter den preußischen Offizieren ein Wort
des Mitleids fiel um den treuen Kameraden, der nicht warten konnte
und nicht den Tod des Helden starb. Doch was fragten die Hundert¬
tausende, die zur Freiheit erwachten, nach einem gebrochnen Herzen?
Sie stürmten vorwärts, dem Sieg entgegen, und brausend klang es um
die alten Fahnen:
„In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!"
34. Die Dichter der Freiheitskriege.
Alfred Biese.
Die wirkungsvollsten, zündendsten Lieder im Befreiungskämpfe ver¬
danken wir einigen Dichtern, die weniger durch hohe poetische Be¬
gabung als durch sittlichen Ernst ausgezeichnet waren, Ernst Moritz
Arndt, Theodor Dörner und Mar von Schenkendorf. Das unmittel¬
bare Erlebnis gab ihren Lieder eine Kraft, die einen unwiderstehlichen
Eindruck machte. Ihre Lieder wurden zu Feuerbränden, die den im
Volke angesammelten Grimm zur verzehrenden Glut anfachten, und her¬
nach, als das Selbstvertrauen und das Gottvertrauen wuchs und als
die gerechte Sache siegte, die Begeisterung in hellen Flammen auslohen
ließen. Wären die Dichtungen auch wertloser in ästhetischer Hinsicht, als
sie es wirklich sind, müßte doch die Literaturgeschichte sie festhalten wegen
der Wirkung, die sie im Volke gehabt haben, wegen ihres ernsten,
deutschen Charakters. Jene Sänger wollten ja nicht gefallen oder den
geistig Hochstehenden genußreiche Stunden bereiten, sondern ihre Lieder
sollten Taten sein und Taten wecken, und das ist ihnen im vollsten
Maße gelungen.
Ernst Moritz Arndt, als Sohn eines noch in der Leibeigen¬
schaft geborenen Gutspächters 1769 zu Schoritz auf der damals schwe¬
dischen Insel Rügen geboren, habilitierte sich 1800 als Privatdozent
für Geschichte in Greifswald und wurde 1806 daselbst Professor, mußte
aber noch im gleichen Jahre wegen seines Buches „Geist der Zeit" vor