Full text: (Prosa) (Teil 7 - 9 in 1 Bande, [Schülerband])

liche, in den neuesten Stadtteilen verwendete Haus zustande, das fast 
überall nur vierstöckig ist, einen oder mehrere helle, luftige Höfe hat, 
auch in geringen Wohnungen gesunde, hinreichend große Räume auf¬ 
weist und womöglich Wasser, Licht und Wärme von Zentralstellen aus 
an seine Bewohner liefert. 
Mit diesen Fortschritten ist auch eine bedeutende Eleganz in solchen 
Häusern eingetreten, die sich ja außen besonders mit Hilfe von Stuck 
und innen mit fabrikmäßig hergestellten Holzzieraten, bunt verglasten 
Flurfenstern, schablonierten Plafonds und ausfallenden Tapeten billig 
erreichen läßt. Daß diese Eleganz fast ausnahmslos vom allerschlechtesten 
Geschmack ist, versteht sich von selbst, weil gewöhnlich der Eindruck von 
Reichtum und künstlerischer Laune mit Hilfe von wertlosen Surrogaten 
vorgespiegelt wird — Tapezierkünste von niemals hohem Range, die 
zur Zeit der Renaissancefreude in den siebziger und achtziger Jahren 
des vorigen Jahrhunderts nur wenig plumper waren als die von heute, 
die im Rokoko, im Zopf, im englischen, im absterbenden Jugendstil oder 
in Stillosigkeit sündigen und, bei der Anspannung des Wettbewerbs, 
vorzüglich in der Ausbildung von grell ins Auge fallenden Treppen¬ 
häusern, Fassaden und Dächern ihren Ruhm suchen. 
Diese aufdringliche und gemeine Eleganz wird von manchen Ber¬ 
linern verabscheut, von sehr vielen geliebt, von der ästhetisch gleich¬ 
gültigen Mehrzahl als selbstverständlich hingenommen. Der Berliner 
hat freilich auch selten ein inniges, persönliches Verhältnis zu seiner 
Wohnung; er ist in der Regel nur ihr Mieter und kann sich kaum 
jemals auf die Dauer in ihr einrichten. Selbst der Hausbesitzer, der 
auf dem eigenen Grundstücke wohnt, wird in einem Gebäude, das viel¬ 
leicht noch Dutzende von Mietsparteien beherbergt, sich schwerlich durch¬ 
aus nach persönlichem Geschmacke, wenn dieser fein und selbständig ist, 
zu behausen in der Lage sein. Schon auf den Bau in seiner ganzen An¬ 
ordnung hat er kaum einen Einfluß ausüben können, denn das meiste 
geht heute von Unternehmern aus und wird nach einem festen Schema 
erledigt. Die Rücksicht auf das Praktische bestimmt den Grundriß, die 
Mode der Fabriken den Stil und den Ausputz. 
Die Notwendigkeit, in der Mehrzahl der Berliner Straßen vier¬ 
stöckige Mietshäuser zu errichten, erfolgte zuerst aus dem Platzmangel, 
das heißt aus dem Mißverhältnis zwischen dem Wachstum der Ein¬ 
wohnermenge und der Zunahme an geeigneten Verkehrsgelegenheiten 
in die Vororte; und neuerdings beruht sie wohl zum Teil aus der
	        
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