W. O v. Horn, Drei Tage und zwei Lieder.
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Stunden«,“ gab das Geld seiner Magd und sprach: „Da, lauf hin zum
Professor Gellert und gieb das Päcklein ab; sage aber bei Leibe nicht,
woher es kommt!“
Gellert saß eben am Schreibpulte. Als er das Päcklein öffnete
und las, rief er aus: „Das ist doch zu bunt! Haben denn die Leute
das Lied schon gedruckt in Händen? Der Doktor wird doch nicht —“
Während er so grübelte, klopfte man. „Herein!“ und es trat ein
preußischer Stabsoffizier ein und meldete, daß Seine Königliche
Hoheit Prinz Heinrich von Preußen, der seit gestern in Leipzig sei,
anfrage, wann er den Herrn Professor besuchen könne. „Mich besuchen?
mich? Der Prinz von Preußen mich besuchen? Das muß ein Irrtum
sein. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich es mir zur hohen Ehre an—
rechnen werde, ihm meine Aufwartung zu machen. Bin ich auch krank,
so bin ich doch nicht bettlägerig.“ Der Offizier erwiderte: „Allerdings,
Herr Professor, wollte Seine Königliche Hoheit Sie besuchen; denn er
achtet Sie sehr hoch. Wollen Sie aber sich zu ihm bemühen, so freue
ich mich, Sie begleiten zu dürfen.“ Gellert zog schnell sein bestes Kleid
an, und nun ging es zum Prinzen. Der hohe Herr reichte dem Professor
sehr freundlich die Hand und sagte: „Ich freue mich ungemein, den
Dichter des Liedes: »Ich hab' in guten Stunden« vor mir zu sehen.“
Wieder wußte Gellert nicht, ob es mit rechten Dingen zugehe, daß der
Prinz ebenfalls von diesem Liede sprach, getraute sich aber nicht, der
Sache genauer nachzufragen. „Man hat mir gesagt,“ fuhr der Prinz
fort, „daß Sie unwohl seien. Sie sitzen wahrscheinlich zu viel, sehen
auch nicht gesund aus.“ „Mein Beruf macht das Studieren und Sitzen
notwendig,“ erwiderte Gellert. „Mag sein, aber Sie müssen sich und
dem deutschen Volke Ihr Leben zu erhalten suchen, sich mehr Bewegung
machen. Sollten ein Pferd halten und täglich ausreiten.“ „Wohl
wahr, Königliche Hoheit, mein Arzt rät mir's auch an; aber nicht jeder
hat die Mitlel dazu.“ „Wohl wahr, Herr Professor, besonders wenn
man die letzten dreißig Thaler auf einmal einer armen Haushaltung
spendet.“ Gellert senklte die Augen und wurde schamrot. Der Prinz
sah das, ergriff des Dichters Hand und sagte: „Edler Mann, es sei ferne
von mir, das tadeln zu wollen, was Ihnen einen Gotteslohn bringen
muß. Erlauben Sie mir, Ihnen ein Pferd zu verehren, dessen fromme
Art es zu einem Reitpferde für einen Mann des Friedens geeignet
macht.“ Gellert wollte danken, aber die Worte stockten. Der Prinz
selbst war tief bewegt und sagte: „Ein Geschäft ruft mich jetzt ab.
Leben Sie wohl, teurer Mann!“
Gellert brauchte Zeit, sich zu sammeln. Als er an seine Hausthür
kam, hieben die Holzspalter drauf los, und es stand ein wunderschönes
Roß mit prächtigem Sattel und stattlich gezäumt vor derselben, und