Kerner. Schwab.
IV 148
6. Wie ists ergangen mir, daß ich verirrt so lange!
Mutter! zu dir, zu dir! wie ists mir weh und bange,
7. Bis ich, wie Blum und Quell, dir darf im Herzen bleiben!
Mutter! o, führ mich schnell hin, wo kein Menschentreiben!
122. Poesie.
Poesie ist tiefes Schmerzen, und es kommt das echte Lied
Einzig aus dem Menschenherzen, das ein tiefes Leid durchglüht.
Doch die höchsten Poesieen schweigen, wie der höchste Schmerz,
Nur wie Geisterschatten ziehen stumm sie durchs gebrochne Herz.
123. Die schwäbische Dichterschule.
„Wohin soll den Fuß ich lenken, ich, ein fremder Wandersmann,
Daß ich eure Dichterschule, gute Schwaben, finden kann?“
„Fremder Wanderer! o, gerne will ich solches sagen dir:
Geh durch diese lichten Matten in das dunkle Waldrevier,
5 Wo die Tanne steht, die hohe, die als Mast einst schifft durchs Meer,
Wo von Zweig zu Zweig sich schwinget singend lustger Vögel Heer,
Wo das Reh mit klaren Augen aus dem dunkeln Dickicht sieht
Und der Hirsch, der schlanke, setzet über Felsen von Granit;
Trete dann aus Waldes Dunkel, wo im goldnen Sonnenstrahl
10 Grüßen Berge dich von Reben, Neckars Blau im tiefen Thal!
Wo ein goldnes Meer von Ähren durch die Ebnen wogt und wallt,
Drüber in den blauen Lüften Jubelruf der Lerche schallt;
Wo der Winzer, wo der Schnitter singt ein Lied durch Berg und Flur:
Da ist schwäbischer Dichter Schule, und ihr Meister heißt — Natur!“
Gustav Schwab (1792 1850).
*124. Das Gewitter.
1. Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl
Wie wehen die Lüfte so schwül!
2. Das Kind spricht: „Morgen ists Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
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