Rückert.
[IV] 155
II.
Der Himmel hat eine Thräne geweint,
Die hat sich ins Meer zu verlieren gemeint.
Die Muschel kam und schloß sie ein:
„Du sollst nun meine Perle sein,
Du sollst nicht vor den Wogen zagen,
Ich will hindurch dich ruhig tragen!“
— O, du mein Schmerz, du meine Lust,
Du Himmelsthrän in meiner Brust!
Gieb, Himmel, daß ich in reinstem Gemüte
10 Den reinsten deiner Tropfen hüte!
III.
Ich bin mit meiner Liebe vor Gott gestanden,
Ich stellte diese Triebe zu seinen Handen.
Ich bin von diesen Trieben nun unbetreten:
Ich kann dich, Liebster, lieben zugleich und beten.
141. Kindertotenlieder.
I.
*
Du bist vergangen, eh ichs gedacht,
Wie eine Blume verblüht über Nacht.
Wie eine Blum über Nacht verblüht,
Auf die umsonst der Frühtau sprüht.
Es sprüht umsonst der frühe Tau,
Wie auf dich meine Thränen lau.
Es sprühn meine Thränen lau auf dich,
Und du bist nicht erwacht für mich.
Und du bist nicht für mich erwacht,
10 Meine Blume, verblüht über Nacht.
II.
1. Oft denk ich: sie sind nur ausgegangen,
Bald werden sie wieder nach Haus gelangen,
Der Tag ist schön, o, sei nicht bang!
Sie machen nur einen weiteren Gang.