Full text: Gedichte und Prosa (Teil 4, [Abteilung 1 und 2])

Ranke. 
IV] 137 
pflanzungen, die von frischen Quellen und Bächen vom Gebirge 
belebt sind, liegt das Hieronymitenkloster Juste, das damals 
aus zwei Klostergebäuden und einer Kirche bestand, an dem 
Abhange eines Hügels, der es vor den Nordwinden schützt, in 
vollkommener Einsamkeit. Dahin hatte sich der Kaiser sogleich 
nach seiner Ankunft in Spanien begeben. 
Man dürfte nicht glauben, daß er ein Klosterbruder ge— 
worden sei. Er wohnte nicht in dem Kloster, sondern an der 
Kirche war ihm ein eigenes Haus erbaut, unfern davon waren 
Wohnungen für seine Dienerschaft eingerichtet, die noch den 
ganzen Apparat einer regelmäßigen Hofhaltung darstellt. Auch 
ist es ein Irrtum, anzunehmen, daß er aller Teilnahme an 
den Geschäften entsagt habe. Mit seinem Sohne stand er in 
unausgesetztem Briefwechsel, und dieser bat ihn noch zuweilen, 
die Gewalt wieder zu ergreifen: in Spanien unternahm er 
noch einiges auf eigene Hand. Unter andern finde ich, daß er 
nach dem Tode König Johanns III. von Portugal im Jahre 
1557 jenen Francisco de Borja, der damals in den Jesuiten— 
orden getreten war, nach Lissabon schickte, unter dem Scheine 
einer Visitation dortiger Kollegien, aber in der That, um zu 
bewirken, daß in die neue Huldigung der junge Don Carlos, 
sein Enkel, aufgenommen werde. Der Unterschied gegen früher 
lag besonders darin, daß er nicht von laufenden Geschäften 
bedrängt war und keine Regierungspflicht mehr hatte. Er 
konnte der Einsamkeit und Ruhe, nach der ihn verlangte, so 
viel er wollte, genießen. Seine Umgebung hatte Befehl, keine 
Besuche anzunehmen, und in dem Kloster war es so still, als 
wäre er nicht anwesend. Oder vielmehr, es ward noch stiller 
durch ihn: er bemerkte mit Mißfallen, daß zuweilen Frauen 
an die Pforte kamen und mit den Mönchen redeten; auf seinen 
Wunsch ward es abgestellt. 
Man hatte dafür gesorgt, daß der Blick aus seinen 
Zimmern, der über die Klostergärten hinführte, durch nichts 
Fremdartiges gestört wurde. Sein Vergnügen war, wenn er 
sich wohl befand, nach einer kleinen, ein paar Armbrustschüsse 
entfernten Einsiedelei zu lustwandeln, unter dem Schatten dicht⸗
	        
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