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Tabor sein Haupt, während vor den Bugen das Gebirg Gilboa und
die Höhenzüge Bamariens die Ebene Jesreel begrenzten, den Schau¬
platz aller großen Bchlachtentscheidungen in der Geschichte Israels,
aber auch des ländlichen Idylls im Hohenliede, wo die Bulamitin
„in den Nußgarten hinabging, zu schauen die Bträuchlein am Bach,
zu schauen, ob der weinstock blühe, ob die Granatäpfel grünen."
Eine in aller weise großartig-liebliche Natur. „Während die Hügel
Judas rauh und kahl und die wiesen von Baron verbrannt und dürre
sind," sagt ein neuerer Besucher des Heiligen Landes, „lachen die Wädies
(Täler) von Galiläa fast überall von Kräutern und Blumen. Lin
Eichwald bedeckt die Wände des Karmel, Zederngruppen nisten in den
Bpalten des Hermon, Myrten vergrößern sich zu Bäumen, und Tau¬
sende von Grangenblüten erfüllen die Lüfte mit ihrem Duft. Nicht
sonniger ist das Niltal, die Vegas Granadas nicht malerischer, denn
hier kommen die grimmige Bonne und der erquickende Negen zu¬
sammen, und Wasser fließt durch Galiläa, nicht in Zisternen und Teichen,
sondern königlich ausgegossen in Bächen und Btrömen dem Meere zu.
Jede Krümmung des Wegs, jeder Wechsel des Bchauplatzes erinnert
an irgendeine Lieblingsstelle in Deutschland, Bpanien, Italien." werden
wir meinen, daß dieser Gottesgarten des Heimatlandes, über dem damals
noch ganz anders als heute des Bchöpfers freundliches Bngesicht leuchtete,
nichts bedeutet habe für die Gemütsentsaltung des Jesuskindes? Ge¬
wiß ist es Torheit, das wundersamste überweltliche Geistesleben, das
je ein menschliches Herz erfüllt hat, erklären zu wollen aus dem
Widerschein der heimatlichen Landschaft,' aber wo ein keimendes Geistes¬
leben in der mütterlich umfangenden Natur sein eigenes Bpiegelbild
erkennt, da wird es auch an ihrem Busen Kräfte der Entfaltung saugen,
und seine unwillkürlichen Äußerungen werden irgendwie, ihre Züge
tragen, wie uns der Täufer Johannes, der schwermütige Einsiedler,
an sein öderes, einförmiges Judäa, ja mit seinem Trauern und Fasten
an die wüste Juda als die Heimat seiner Jugend erinnert, so bekennt
sich Jesus mit dem hellen Bonnenschein seines Gemüts, mit seinem bei
allem heiligen Ernst freien und fröhlichen Wesen als das echte Pflege¬
kind des schönen Galiläa mit seinen wogenden Ährenfeldern, seinen
prangenden Obstgärten, seinen waldigen Bergen und zwischen Blumen
hinrauschenden Wassern. In bezeichnendem Unterschied von dem trüben
Ernst seines Vorgängers, der „nicht aß noch trank" und in härenem
Kleide jeden Bchmuck des Daseins von sich fernhielt, hat er die duftige
Narde im Haar und das Gewächs des Weinstocks, das „des Menschen
Herz erfreut", nicht verschmäht. Den Vögeln unter dem Himmel hat
er sinnend zugesehen, wie sie nicht säeten, nicht ernteten noch in Zcheunen
sammelten, und wie doch der himmlische Vater sie nährte, und die Lilien
auf dem Felde, die sein Heimattal ihm zu Tausenden vorhielt, sind
ihm schöner gewesen als Balomo in aller seiner Herrlichkeit. Bich selbst