Dann müßt' ich zum Meister wandern
Und ach! der wohnt gar weit,
Wohnt draußen jenseits der Erde,
Wohnt dort in der Ewigkeit.
Dann gab' ich sie ihm zurücke
Mit dankbar kindlichem Flehn:
„Sieh, Herr, ich hab' nichts verdorben,
Sie blieb von selber stehn."
Johann Gabriel Seidl.
4. Zwei Bilder.
Vor meinem Schreibtisch hängen an der Wand
Der früh geschiednen Eltern liebe Bilder,
Und hat nach ihnen sich mein Blick gewandt,
Wird mein Gemüt gerührt, das Herz mir milder;
Und wär' ich noch so finster und ergrimmt,
Ich seh' hinauf und werde weich gestimmt.
Da ist's, als walle leichter mir das Blut,
Als hört' ich Töne. die schon längst erklungen;
Erwärmend überströmt mich eine Flut
Von süßen, seligen Erinnerungen;
Ich seh' in grüne Fluren weit und breit,
In meine schöne, goldne Jugendzeit. —
Doch bald zerrinnt der wunderholde Wahn,
Vorüber wandern lass' ich all mein Leben,
Indes die Blicke ängstlich sich hinan
Zu meiner Teuern Bildern fragend heben,
Ob sie, die Seligen, mit ihrem Kind,
Seit sie's verließen, auch zufrieden sind.
Was mir auf solche Frag' als Antwort wird,
Kann ich enträtseln nicht aus ihren Mienen;
Sie wissen, daß hienieden jeder irrt,
Daß bald dem Edeln wir, bald Schwächen dienen
Und daß, bis eins zum andern ist gestellt,
Der höchste Richter selbst den Spruch nicht fällt.