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sam über das hochgelbe Sandmeer. Da mit einem Male wirst
das Dromedar des Scheichs den Hals hoch auf; es schnaubt mit
den weit geöffneten Nüstern des emporgestreckten Kopfes und stößt
ein wieherndes Geschrei aus. Wasser! Wasser! Aus Stunden-
serne saugt das Tier einen feuchten Luftstrom: den sonst unwahr¬
nehmbaren Dunst des Guells. Ls bäumt sich und mit wilder
Haft stürzt es, seine letzte Kraft aufbietend und alle Bande sprengend,
der Wasserstelle zu — und ihm nach mit einem Freudenschrei die
ganze Karawane. Bald ist das Tal der Gase erreicht. Line
Palme hebt den Wipfel empor, da und dort breitet eine Tamariske
den Schirm ihrer dichten Zweige aus, unter denen sich flüchtend
das Laushuhn der wüste verbirgt; aber zwischen Gräsern und
Binsen murmelt der Guell, der lebenspendende Bach. Cr hat die
Karawane gerettet.
Die Kamele haben getrunken. Die Treiber rufen ihr schmettern¬
des Krri! und nun lagert sich das Tier vorsichtig zaudernd; es
kann jetzt entlastet werden. Die abgelösten Ballen bleiben zu
beiden Seiten aus dem Boden stehen; das Kamel zwischen ihnen
erhebt sich und geht auf die weide. Cs begehrt kaum mehr als
Dornen; aber sein scharfes Gebiß zermalmt auch die eisenfesten
Stacheln der Wüstenakazie leicht und mit Lust, als seien es Halme.
Inzwischen taucht die Sonne am Horizont hinab und über¬
gießt die ganze schauerlich-großartige Wildnis mit Purpur um
im nächsten Augenblick zu versinken und alles in Dämmerung zu
hüllen. Die Zelte sind aufgeschlagen. Man hat sich gelagert;
Seuer prasseln auf, von geschäftigen Händen genährt und bei
jedem neuen Aufwurf die Lohe in die Nacht hinausstrahlend. In
malerischen Gruppen stellt und lagert sich die Karawane umher.
Hier neben den Kamelen liegen die Treiber, zum Schlafe bereit.
Hinter ihnen, um ein zweites Seuer, kauern Beduinen; sie spielen,
treiben Possen oder schmauchen aus langen pfeifen und „reichen
die Trinkschale des Gesprächs umher", vor jenem Zelte aber
sammelt sich im phantastischen Gemisch der Trachten und Waffen
der große Kreis der Reisenden: Araber, Türke, Sezzaner, Jude
und Sranke in einer Runde. Sie horchen einem Derwisch, der
aus „Tausend und einer Nacht" erzählt, oder einem fahrenden
Stegreifdichter, dessen kecke Lieder der schwirrende Ton der arabi-