dieses herrlichen Tempels und ist erst in den Stürmen der Völker¬
wanderung spurlos untergegangen. Die Göttin war in ruhiger
Stellung abgebildet, völlig mit einem Chiton bekleidet, was bei
dieser jungfräulichen Göttin überhaupt Regel der Kunst ist. In
der Linken hielt sie einen Speer und berührte zugleich den Rand
des am Boden stehenden Schildes, auf dessen innerer Flüche der
Kampf der Giganten in geschnittener Arbeit zu sehen war, während
die Außenfläche eine Amazonenschlacht darstellte. In der Rechten
trug sie die bekränzte Siegesgöttin. Die nackten Teile der Figur
waren aus Elfenbein, die Augen bildeten blitzende Edelsteine, die
Gewänder, Waffen und der sonstige Schmuck waren aus Gold
getrieben, so daß sich-der Goldwert der Statue aus die ungeheure
Summe von vierundvierzig Talenten oder beinahe drittehalb
Millionen Mark belaufen haben soll.' Außer dieser seiner berühm¬
testen Darstellung der Pallas hat Phidias noch fünf andere Bilder
der jungfräulichen Göttin geschaffen, darunter noch ein ehernes
Kolossalbild von über zwanzig Meter Höhe, welches die Athener
zum Andenken an die Schlacht bei Marathon auf der Akropolis
errichten ließen. Sie war als Promachos, d. i. Vorkämpferin, in
kriegerischer Haltung mit erhobenem Schild und festausgestemmter
Lanze aufgefaßt. Seemann
3. Wettschöpfmtg.
1. Im Anfange der Zeit war nichts als ein unermeßlicher
Abgrund. In diesem gab es weder Licht noch Dunkel, kein Oben,
kein Unten, aber die Sonne, der Mond, die unzähligen Sterne,
die Erde mit ihrem Wasser, die Luft, das Feuer und sogar das
Licht und die Finsternis waren darin als Keime enthalten. Dann
kam eine Zeit, da spaltete sich der Abgrund mit entsetzlichem
Krachen in zwei Teile, einen südlichen und einen nördlichen.
Der südliche Teil war voller Licht und Glanz; er wurde deshalb
Muspelheim, Reich des Lichtes, genannt. Der nördliche Teil aber
war öde und finster, und ein dichter, kalter Nebel lag darüber
ausgebreitet; Niflheim, Reich des Nebels oder der Finsternis, war
sein Name. Zwischen diesen beiden Reichen in der Mitte blieb
noch ein Raum, der mit einem Ende an Muspelheim stieß und
von dort einiges Licht empfing, mit dem anderen Ende aber bis
an Niflheim reichte und dort fast ebenso finster und kalt wie dieses