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wenn das Gelage bis in die Nacht fortgesetzt wird. Das Speise-
triklinium ruht auf drei Marmorfüßen von zierlicher Schwingung
und ist in Form eines Halbmondes gebildet. An drei Seiten
sitzen die Gäste, während die vierte für die aufwartenden Sklaven
frei bleibt. Außerdem befinden sich im Zimmer noch andere Tische
mit schön geformten Füßen von Jaspis, Marmor und Bronze.
Auf ihnen stehen Nippfachen, Amphoren und Kostbarkeiten, welche
den Reichtum des Hanfes vor Augen stellen. Da erblickt man
Becher und Vasen, mit Edelsteinen verziert, gläserne Schalen, wo
aus blaßgrünem Grunde dunkelgrüne Blumen und Arabesken
hervorschimmern.
4. Doch wenden wir uns von den glänzenden Gemächern
der Hauptstadt, in der so viel Glanz und Pracht mit Mühselig¬
keit, Sorge und Verbrechen nahe beieinander wohnen, nach den
frischen Bergen des alten Sabinerlandes. Die patriarchalische
Einfalt, der ländliche Fleiß auf dem eigenen, beschränkten Gütchen
herrscht auch hier nicht mehr. Landhäuser, Gärten und Parkan¬
lagen haben den Bauernstand verdrängt; aber die Seen blitzen
noch aus Waldesdnnkel und Wiesengrün hervor, und der Wechsel
von Berg und Tal erfreut das Auge des Wanderers, der auf
der wohlunterhaltenen Straße daherschreitet. Wir treten mit ihm
in das prächtige Landhaus des reichen Spurina. Da ist alles
wohnlich und bequem eingerichtet, keine Überladung, kein über¬
triebener Aufwand an Zieraten und Schaustücken, wohl aber Bild¬
werke, Statuen, Hausgeräte, die von Kunstsinn zeugen.
5. Die Ahnenbilder im Tablinum reden von dem Glanze
des alten Hauses; die Säulen von Marmor und korinthischem
Erze beweisen den Reichtum des Eigentümers. Im Atrium steht
der Hausherr, ein würdiger Greis, bekleidet mit der Tunica von
ägyptischer Leinwand und der Lacerna, einem ärmellosen, oben
aufgeschlitzten Überwürfe, den eine goldene Fibula auf der Schulter
befestigt. Es ist noch früh am Tage; er nimmt ein einfaches
Frühstück ein von Brot, Oliven und Rahmkäse; dann geht er
durch die Laubengänge des Gartens. Unterwegs besichtigt er das
wohlbestellte Vogelhaus, welches Pfauen, Fasanen und anderes
Geflügel bevölkern, und den Fischteich, der die Tafel mit seinen
Bewohnern versieht. Durch eine Hintertür tritt er ins Freie, wo
seine Sklaven mit dem Einheimsen des Weizens beschäftigt sind.