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sich auch Perikies über den Aberglauben seiner Zeit und erwarb sich
eine tiefere Einsicht in die Natur und ihre Kräfte. Als bei einer
Sonnenfinsternis alles zitterte und zagte, hielt er einem solchen Furcht¬
samen den Mantel vors Gesicht und fragte: „Hältst du dies auch für
ein Schreckgespenst?“ „Bewahre!“ antwortete der. — „Nun,“ sagte
Perikies, „zwischen diesem und dem Vorgänge da oben ist nur der
Unterschied, daß dort etwas Größeres als mein Mantel die Verfinsterung
bewirkt!“
Nachdem er als Krieger und Feldherr oftmals Tapferkeit, Umsicht
und Tatkraft bewiesen hatte, widmete er sich ganz den Staatsgeschäften,
der inneren wie der äußeren Politik. Und so völlig ging er darin auf,
daß er fortan nur noch auf dem Markte zur Volksversammlung oder
auf dem Rathause zu den Sitzungen erschien. Alle Einladungen zu
Gastmählern und fröhlichen Gesellschaften lehnte er ab; während der
ganzen 40 Jahre seines Staatsdienstes war er bei niemand zu Gast,
außer einmal bei der Hochzeit eines Vetters und auch da nur ganz
kurze Zeit. Auch dem Volke gegenüber hielt er sich sehr zurück,
um seiner ernsten Würde nichts zu vergeben.
Von seiner Selbstbeherrschung wird erzählt: er habe einst einem
Schmähredner, der ihn den Tag über beschimpft und noch abends bis
ans Haus verfolgt hatte, durch seinen Diener mit der Fackel heim¬
leuchten lassen. Auch trat er nur selten und nur bei den wichtigsten
Angelegenheiten öffentlich als Redner auf und ließ sich sonst durch
seine Anhänger vertreten.
Nach außen förderte er Athens Macht durch Befestigung und
Erweiterung des attischen Seehundes, der, bald nach dem Siege
von Salamis begründet, unter der Leitung (Hegemonie) Athens fast
alle griechischen Küstenstaaten und Inseln umfaßte und gegen das
eifersüchtige Sparta ein Gegengewicht bildete. Die Bundeskasse, an¬
fangs auf der dem Apollo geweihten Insel Delos aufbewahrt, verlegte
Perikies nach Athen und verwandte ihre reichen Überschüsse zur
Ausschmückung seiner Vaterstadt mit herrlichen Bau- und Bild¬
werken.
Im Innern führte er die schon von Solon vorbereitete Volksherr¬
schaft (Demokratie) vollständig durch.1) Auch die letzten Staats-
Stadtoberen, wie er im Andenken geehrt zu werden wünsche, etwa durch ein
Denkmal oder dergleichen. Da erwiderte er: Alles andere verbitte er sich und
wünsche nur eines: sie möchten jährlich an seinem Todestage der Schuljugend
einen freien Spieltag geben. Und in der Tat hatten von da ab die Schüler
in Lampsakus jährlich zu Ehren des großen Philosophen an dem Tage frei.
1) Vgl. S. 95.