Full text: Für Klasse 3 (achtes Schuljahr) und die Untertertia der Studienanstalten (Teil 7, [Schülerband])

aneinander zu messen; der Wetteifer steigerte sich, wenn bei festlichen 
Anlässen das Volt sich versammelte, den Wettkämpfen zuzuschauen. Hier 
trat die Gymnastik in den Dienst der Religion. Denn wenn zum An¬ 
denken der stadtgründenden Heroen, wenn zur Feier der unsterblichen 
Götter, unter deren Obhut der Staat fortbestand, das Beste dargebracht 
wurde, was der Boden des Ackers, was die Herden des Feldes er¬ 
zeugten, oder was der Menschen erfindungsreicher Sinn in der Kunst 
der Formenbildung, wie der Rede und des Gesanges zu schaffen wußte 
— wie sollte da nicht auch das köstlichste aller Güter, deren sich der 
Staat erfreute, den Göttern geheiligt werden, die männliche Tüchtigkeit 
seiner Bürger und die Jugendkraft des nachwachsenden Geschlechts! 
Die Wettkämpfe selbst waren Opfer des Danks, und die Götter, sagt 
Plato, sind Freunde der Kampfspiele. Wohl gab es keine Huldigung, 
die so mühselige Ausdauer vieler Jahre, so viel Aufwand an Kraft 
und Zeit, so viel Entbehrung und Schmerzen forderte. Aber die Hellenen 
haben nie die Freude des Lebens in träger Behaglichkeit gesucht; sie 
fühlten lebendig, was auch unter uns jeder aus eigner Erfahrung 
wissen sollte, daß eine freie, alle Muskeln anspannende Bewegung des 
Körpers in Luft und Sonnenlicht jeden gesunden Menschen freudig 
belebt und mit innerer Heiterkeit erfüllt. Darum waren die Festspiele 
für die Hellenen die höchste Lust des Lebens; sie konnten sich auch 
die Inseln der Seligen nicht ohne Ringplähe denken, und als die Zehn¬ 
tausend einst nach unsäglichen Mühseligkeiten aus dem Innern Asiens 
endlich wieder an das Gestade des Meeres gelangt waren, nach dem 
sich ihr griechisches Herz gesehnt hatte, da war das erste, was sie zum 
Danke gegen die Götter und zur Erquickung ihrer ermatteten Seelen 
vornahmen, daß sie vor den Toren von Trapezunt Kampfspiele an¬ 
stellten; sie waren wieder Griechen auf griechischem Boden, und alles 
Ungemach war vergessen. 
Es gab keine größeren Götterfeste ohne Festspiele, und die Athleten, 
die ihre Meisterschaft in einem Zweige der Gymnastik wie ein Gewerbe 
behandelten, konnten umherwandernd zu allen Jahreszeiten Kampfspiele 
besuchen, in denen Siegerpreise zu gewinnen waren. Die olympischen 
Spiele aber übertrafen nach Pindars Worten alle andern so, wie das 
Quellwasser die Schätze des Erdbodens und wie das Gold die Güter 
des Reichtums. 
Olympia war ursprünglich ein Tempelbezirk vor den Toren Pisas. 
Rach der Zerstörung der Stadt ließen die Eleer kein neues Pisa auf-
	        
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