kam er stets von einem solchen lieblichen Verkehr heim in seine öde
Wohnung zu seinem armen, blöden, gequälten, mißtrauischen Volk. Es
war ein ander Ding, mit dem kleinen Mädchen am Weiher mitten im
dunkeln Forst zu sitzen, als allein mit der Furcht vor dem eignen Bild
im Wasser. Das lachende Gesichtchen des Kindes in der Flut war nicht
gespenstisch. An der Seite Elses schauderte und fröstelte den Pfarrherrn
nicht mehr vor den hohen Geheimnissen der Natur; — Else von der
Tanne verstand die Sprache der Tiere, des Windes, des Lichts ganz
anders und viel besser als der Pfarrherr, und der Pfarrherr hatte
viel mehr von dem Kinde zu lernen als das Kind von ihm.
Wie sich die junge Seele von Frühling zu Frühling mehr ent¬
faltete, erschlossen sich auch mehr und höhere Geheimnisse in der Brust
Friedemann Leutenbachers, und als Else von der Tanne die schönste
der Jungfrauen geworden war, da war der Pfarrer im Elend mit ihr
gewachsen und trotz seiner Jahre so jung, wie sie. Es war entsetzlich, —
ein Schmerz sondergleichen, an diesen Glanz, diese Holdseligkeit des
Lebens, die auf ewig versinken sollten, in dieser winterlichen Sturmes-
nacht denken zu müssen.
Gestern noch war der Wald grün, gestern noch blühten alle Blumen,
sprangen alle Quellen; gestern noch wandelte Else von der Tanne in
der Anmutigkeit des Jahres, und soweit auch Friedemann Leutenbacher
vom höchsten Bergesgipfel über die Herrlichkeit des blühenden, funkeln¬
den Landes blicken mochte, nichts Herrlicheres gab es, soweit das Auge
und das Herz reichten, als Else von der Tanne.
Die schwarzen, schrecklichen Striche, welche die Heereszüge durch
die Ebene gezogen hatten, waren ausgelöscht; die roten Narben um
die Handgelenke des Pfarrherrn von Wallrode waren Zeichen der Ver¬
heißung, wie der Griff des Engels an der Hüfte Jakobs auf der Stätte
Pnuel, die da heißt: ich habe Gott gesehen, und meine Seele ist genesen.
Gestern, gestern! wer kann den Gram ermessen, der sich in dem
kleinen Worte bergen kann? Es ist der gierige Schlund, der das ge¬
spenstische „morgen" gebiert, das uns mit tausendfachen Schrecken ängstet,
bis die finstere Höhle, die alles verschlingt, wodurch wir leben, uns
selber in ihre Tiefen herabzieht.
Gestern wandelte Else von der Tanne im Lichte des Frühlings
und des Lebens, und heute — heute schrieb der Pfarrherr zu Wallrode
im Elend die Weihnachtspredigt für sein Dorf, durch das Else von der
Tanne getötet worden war.