Full text: Prosa (Teil 8, [Schülerband])

aus denen, die Schönheiten irgend einer Gegend — ihm von jetzt an 
nur für kurze Stunden zum Genuß vergönnt — mit der Feder eines 
gottbegnadeten Dichters und mit der Anschauungskraft des Malers 
schildern. Vor allem ist es der Wald, nach dem ihn verlangt. Im 
Schatten seiner Eichen und Buchen zu wandeln und nichts um sich zu 
spüren als das Weben der Schöpfung, ist ihm der liebste Traum; 
dort wird er das Herz sich wieder gesund baden vom Staub der Akten 
und dem Lärm der Städte. So war ihm auch sein Sachsenwald die 
werteste der Gaben, mit denen die Huld seines treuen Königs ihn über- 
schüttete; ihn ward er nicht müde zu hegen und zu pflegen; ihn durch¬ 
streifte er, sobald ihm Muße beschieden war, immer wieder zu Pferde; 
ihn durchwandelte er fleißig in seinen letzten Jahren, und als auch dafür 
die Kraft zu versagen begann, ließ er sich noch täglich im Lehnstuhl 
hinausfahren unter die mächtigen Bäume, um ihrem Grün, ihrem er- 
quickenden Duft, dem Gesang in ihren Zweigen näher zu sein. In 
der Einsamkeit der Flur und des Haines aber hat er auch von je am 
deutlichsten die Stimme des Genius vernommen; dort hat er, allein 
mit seinem Gott, die Offenbarungen empfangen, die seine Arbeit leiteten: 
Gedanken von der Größe und Herrlichkeit des Reiches, das er schaffen 
wollte; Gedanken des Friedens und des Segens für sein Volk.j 
Aus diesem tiefen Gemüt aber erwuchs dem großen Kanzler noch 
eine besondre Kraft, die einen Teil seiner beispiellosen Erfolge erklärt. 
Napoleon der Erste, der im Ansturm gegen eine gleichfalls im Innern 
morsch und faul gewordne Welt wie er einst jeden Gegner nieder¬ 
geworfen hatte, war doch nicht imstande gewesen, etwas Bleibendes zu 
schaffen, weil er die „Imponderabilien", die tief in der Menschenseele 
schlummernden Lebenskräfte und Lebensbedingungen, verkannt und ver¬ 
achtet hatte. Freilich lassen sich diese nicht messen oder wägen, nicht 
umsetzen in Gold oder Eisen, aber Bismarck schuf sich aus ihnen, aus 
der Treue, der Begeisterung, der hingebenden, opferwilligen Liebe des 
Volkes, seine mächtigste Waffe. Er erkannte diese Kräfte leicht, waren 
sie doch zugleich seine eignen. 
Unbezwinglich und furchtbar wie nur jemals eine Elementargewalt, 
und doch mit einem Herzen voll weichen und innigsten Empfindens — 
so war Bismarck, der Held des Jahrhunderts. Wie auf wenige Menschen 
der Geschichte paßt auf ihn das Dichterwort: 
So mischten sich 
die Element' in ihm, daß die Natur 
ausstehen durfte und der Welt verkünden: 
Dies war ein Mann!
	        
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