Full text: Prosa (Teil 8, [Schülerband])

etwa zu verjagen. Wenn sie ihm zufällig eingehen, sucht er sich sogar 
eine Schale zu erobern, auf der noch welche sind. 
Man hat bei Krebsen, die allerdings nicht eine Kolonie von 
Polypen, sondern bloß eine einzelne ebenfalls nesselnde große Seerose 
auf ihrer Schale trugen, beobachtet, wie sie ihre Seerose, als man sie 
ihnen abgenommen, im ganzen Aquarium suchten und sorgsam sich 
wieder aufstülpten. 
Und die Seerose, die jeden andern Angreifer erbarmungslos mit 
ihren Nesseln verbrannt hätte, verbrannte ihren Krebs nicht, sondern 
ließ sich ruhig aufnehmen! 
Beide Parteien wissen, woran sie sind! . . . 
Über das „Wie" und „Woher" dieses Wissens gibt es freilich vorerst 
nur widersprechende Meinungen und schwankende Vermutungen. 
Darin sind wir weisen Menschen heute im Grunde nicht viel weiter, 
als der Märchenerzähler ist, der uns auch die Antwort schuldig bleibt, 
woher sein Kobold zum Menschen gekommen ist, und wer die Heinzel¬ 
männchen zu Helfern statt zu Feinden gemacht hat. Freuen wir uns 
einstweilen des lieblichen Geschenks der wunderbaren — Tatsache. 
Wilhelm Bölsche. 
4. Der Wcinderinifinkf der Störche. 
fer Flug der Wandervögel ist ungeheuer schnell, und ihr Zug ist 
außerordentlich andauernd. Die Störche fliegen in der Aus¬ 
wandrung an 30 Meilen in der Stunde; ihre Züge sind oft 
so groß, daß sie trotz des schnellen Fluges sehr lange sichtbar bleiben, 
und dabei fliegen die Störche nicht einzeln hintereinander, sondern in 
ziemlich breiten Schwärmen. Bemerkenswert ist, daß sie zwei regelmäßige, 
feste Wohnsitze haben, den einen im Norden bei uns, den andern im Süden 
an der ägyptischen Küste; ihre Züge gehen unmittelbar und regelmäßig 
von der einen Heimat nach der andern, um an jedem dieser Orte eine 
bestimmte Zeit zuzubringen. Brüten tun sie nur iin Norden, sie sind 
also bei uns heimisch. 
Das Auffallende beim Wanderinstinkt des Storches liegt darin, 
daß er regelmäßig seine vorjährige Heimat wieder auffindet und sein 
Nest, das er einmal aufgebaut, wieder ausbessert und bewohnt. Der 
Storch, der auf einer Dorfschenne, ans dem Giebel eines Bauernhauses 
sein Nest aufgeschlagen, kommt aus Afrika, einen Weg von tausend 
Meilen her, fliegt über alles hinweg, läßt rechts und links alles liegen 
und kommt, ohne zu irren, auf seine Heimat zu und nimmt sie wieder 
in Anspruch.
	        
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