Full text: [Teil 3 = (Oberstufe), [Schülerband]] (Teil 3 = (Oberstufe), [Schülerband])

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mechanische Kräfte so innig verbunden, daß es nicht immer möglich ist, genau 
zu unterscheiden, welcher Anteil dem einen, welcher dem andern Faktor zu¬ 
geschrieben werden solle. Eine rein mechanische Wirkung des Wassers, die 
trotz der äußersten Einfachheit des Vorganges doch die seltsamsten Terrain¬ 
formen mit sich bringt, ist die Bildung der sogenannten Erdpyramiden 
oder Erdpfeiler, die zwar an verschiedenen Punkten auftreten, zuerst aber 
und wohl auch am schönsten auf dem Ritten bei Bozen beobachtet worden 
sind. In den Thälern des Katzenbachs und des Finsterbachs sieht man Hun¬ 
derte von schlanken, meist nach allen Seiten frei stehenden Pfeilern, die aus 
einem ziemlich festen rötlichen Thone bestehen und auf ihren Spitzen meist 
je einen großen Steinblock tragen. Die Höhe dieser seltsamen Gebilde steigt 
bis zu 30 m an, an der Basis haben sie meist eine steil pyramidale, oben 
schlank kegelförmige Gestalt. Die Entstehung dieser vielbewunderten „Mandeln" 
<Männchen) ist sehr einfach; ein Blick auf die Gehänge des Thales zeigt, 
daß sie aus genau demselben rötlichen Thon bestehen wie die „Mandeln", 
und daß diesem in bedeutender Menge ganz unregelmäßig Steine und große 
Blöcke beigemengt sind. In dieses Material haben die Bäche ursprünglich 
ganz schmale, tiefe Kanäle eingegraben, deren Erweiterung und sanftere 
Böschung der Wirkung des von den Wänden ablaufenden Regenwassers zu¬ 
zuschreiben ist, das den Thon allmählich wegschwemmte. Dabei bildeten nun 
auf der Oberfläche liegende oder im Laufe der Denudation (Entblößung) 
allmählich aus der umhüllenden Masse hervortretende größere Blöcke ein 
schützendes Dach für die ihnen unmittelbar zur Unterlage dienenden Teile 
des Thones; diese bleiben als Pfeiler stehen, während die ganze Umgebung 
ausgewaschen wird, und so ruhen diese großen Porphyr- und Granittrümmer 
durch die Jahrtausende andauernde Einwirkung des Regenwassers endlich auf 
mitunter turmhohen Säulen, deren Seiten durch die kleineren der Masse ein¬ 
gelagerten Steine häufig eine eigentümliche Kannelierung erhalten. 
Die Erzeugung solcher phantastischen Formen ist aber nicht nur auf 
diese Fälle beschränkt, sondern sie ist sehr allgemein verbreitet, wo einzelne 
Partien eines Gesteins durch größere Widerstandsfähigkeit ihrer Umgebung 
gegenüber ausgezeichnet sind. Säulen, Nadeln, Obelisken, pilzförmige Ge¬ 
bilde, kurz eine Menge der bizarrsten Formen wittern auf diese Weise aus 
ihrer Umgebung hervor. Oft haben sie ganz riesige Dimensionen, wie z. B. 
die „Kathedralenklippen" in Colorado un westlichen Nordamerika, während sie 
in anderen Fällen nur eine sehr bescheidene Größe erreichen. Im allgemeinen 
sind jedoch solche Erscheinungen in trockenen und regenarmen Gegenden häufiger 
als in feuchten, und ganz besonders ist die gewaltige Einsenkung, die in 
Nordamerika zwischen der Sierra Nevada und den Rocky Mountains liegt, 
durch die Menge solcher Felsgebilde ausgezeichnet; ein Strich hat infolge der 
gewaltigen Zahl derselben den Namen „Monumentalpark" erhalten; ein anderes 
derartiges Gebiet am Ostfuß des Felsengebirges wurde als Göttergarten be¬ 
zeichnet. Die härteren Partien von grellrotem Sandstein starren dort in so 
seltsamen Formen aus dem Boden, daß es begreiflich ist, wenn die Indianer
	        
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