haben, gibt das Zeichen zum Beginn durch den Zuruf: „Fanget an!" „Also
machet der Singer den Anfang, und wann eine Gesamtstrophe vollbracht
ist, hält er innen, bis der Merker wiederum schreiet: „Fahret fort!" Nach
geendigtem Gesang begibt sich der Singer vom Stuhl und macht einem
andern Platz." Denn es ist ein Wett- oder Preissingen. Wer nach der
Merker Urteil die andern „übersungen", d. h. wer sich die wenigsten
Verstöße gegen die Tabulatur hat zuschulden kommen lassen oder gar
„glatt (fehlerlos) gesungen", dem wird das „Gehäng" zugesprochen. Es
ist dies eine Halskette oder Halsschnur mit schonen silbernen und ver¬
goldeten Schaupfennigen. Die schönste derselben trug in Nürnberg das
Bild des königlichen Sängers David mit der Harfe, weshalb das Kleinod
auch „der David" benannt war. Wer nächst dem „Davidsgewinner" am
besten gesungen hatte, erhielt einen Kranz von seidenen Blumen, den er
(wie der erstere seinen Halsschmuck) tragen durfte. Außer diesen beiden
Wanderpreisen, deren Erwerb den Meistersingern für die höchste Ehre galt,
gab es noch andere Preise; denn „des Tages, wenn man Schul' gehalten,
ist gebräuchlich, daß die Gesellschaft der Singer eine ehrbare, ehrliche,
friedliche Zech' halte". Bei dieser Zeche, die natürlich außerhalb der
Kirche stattfand, mußte ein jeder sein Gewehr von sich tun. Alles Spielen,
unnützes Gespräch und überflüssiges Trinken waren verboten. Hier sang
man um einen „Zechkranz" oder um andere, von Gönnern der holdseligen
Kunst gestiftete Preise, um Geld, um zinnene Trinkgeschirre u. a. Die
Merker saßen an einem besonderen Tische. Von den „gemeinen Sing¬
schulen" unterschieden sich die „Festschulen" an den drei hohen christlichen
Festen durch besondere Feierlichkeit.
Daß der Meistergesang im allgemeinen große dichterische Leistungen
nicht gezeitigt hat, kann niemand in Verwunderung setzen. Wer die
Dichtung wie das Handwerk für etwas Erlernbares hält, muß ja ihr
innerstes Wesen völlig verkennen, und wer die schöpferische Phantasie in
unverbrüchliche, ewig geltende Satzungen einzuzwängen sich vermißt, muß
ihr Gewalt antun. Ein wahres, frisches und kräftiges Talent muß über
die engen Schranken der „Tabulatur" hinausstreben. Der Gewinn, der
unserer Literatur aus dem Meistergesang erwuchs, ist gewiß nicht allzu¬
hoch anzuschlagen; für die Entwicklung unseres Volkslebens aber ist er
hochbedeutsam gewesen. Der Meistergesang ist trotz allen seinen Irrtümern
ein Ehrendenkmal deutschen Bürgertums. Die Beschäftigung mit der
Sangeskunst wirkte als ein heilsames Gegengewicht gegen den Materialis¬
mus des gewerblichen Schaffens und des sinnlichen Lebensgenusses. Sie
erzeugte in dem Handwerker jene schöne Feiertagsstimmung, die ihn die
Sorgen und Händel des Werktages vergessen ließ, seinen Geist und Sinn
in eine höhere Welt erhob. Bibel und Weltchronik wurden ihm vertraut,
und seine Seele füllte sich mit neuen Bildern und erhabenen Gedanken.
Wie die Meister einer Zunft jeden „Unredlichen" aus ihrer Gemeinschaft