Full text: [Siebenter Teil = 3. Klasse, [Schülerband]] (Siebenter Teil = 3. Klasse, [Schülerband])

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läge für das neue Kirchenlied nahm; der schillernden Üppigkeit jener 
Lieder aber schob er einen Riegel vor. Überdies mußte bei der verein¬ 
fachten Form des protestantischen Gottesdienstes bei der Mehrzahl die 
Möglichkeit der Anwendung wegfallen. Aber innerhalb des Protestantis¬ 
mus hörte nun auch die Schaffenslust des Volkes im religiösen Liede 
aus. Der sinnliche Grundzug in der Kirche, von dem es hauptsächlich 
angeregt worden, war ihm genommen; die klare Verstandesrichtung der 
lutherischen Kirche ließ die Phantasie unberührt. Dagegen erwiesen sich 
mehrere von Luthers Kirchenliedern und auch wohl manche von andern 
Dichtern in Sprache und Ton so durchgreifend, daß sie im protestantischen 
Deutschland zu Volksliedern wurden.^- 
92. Gin GeieUicbaftsabend bei Gottsched. 
Von I). €b. Craut. 
Bilder und Skizzen aus dem Leben deutscher Dichter des 18. Jahrhunderts. 
Leipzig 1868. S. 22. 
es war Abend geworden. In der Universitätsstraße zu Leipzig fuhren 
Wagen auf und ab, man sah elegante Damen und Herren aus¬ 
steigen, um mit hochfrisiertem Kopfputze und auf spitzen Modeabsätzen in 
das Haus zu eilen, in welchem der Professor Gottsched wohnte. Er 
hatte eine große Gesellschaft eingeladen. Die Zeit, von welcher wir 
sprechen, war im Winter des Jahres 1746. 
Die Beletage des dem Buchhändler Breitkopf gehörigen Hauses, die 
Gottsched bewohnte, war heute strahlend erleuchtet, die Haustür weit geöffnet, 
so daß auch die vielen neugierigen Zuschauer den geräumigen Hausflur über¬ 
sehen konnten, der von den Ballen und Stößen von Büchern gesäubert 
war, um den Weg nach der breiten Treppe offen zu halten. Auch in 
dem seitwärts gelegenen dunklen Kontor zur Rechten des Einganges 
waren Neugierige versteckt, Buchhandlungsgehilfen, die ihre Augen an 
der Toilette der hier vorbeikommenden jungen Damen weideten. 
In der Wohnung des Herrn Professors herrschte eine aristokratische 
Eleganz, da Gottscheds Haus der Anziehungspunkt der gebildeten vor¬ 
nehmen Welt war; jeder Künstler oder Dichter von Ruf, der die franzö¬ 
sische Etikette nicht verabsäumte, verfehlte nicht, diesem Hause die Auf¬ 
wartung zu machen. Der Herr Professor und die Frau Professorin galten 
in den eleganten Kreisen Leipzigs für die ausgesuchtesten Vertreter des 
guten Geschmacks, den sie vermittelst des Theaters in das deutsche Leben 
zu verpflanzen suchten. Er blendete durch seine anspruchsvolle Katheder¬ 
weisheit und seine französischen Mustern entnommenen Tragödien; seine 
Frau war eine begabte Weltdame, die eine neue Geschmacksrichtung in 
die deutsche schöne Literatur brachte und in der Kenntnis des französischen 
Lustspiels ihrem Manne überlegen war. Nur mit hohen Personen
	        
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