dreißigjährigem Kriegsjammer Friede worden war im Vaterland, und doch
hatten die Herren Gesandten zu Münster und Osnabrück schon am
25. Oktober mit umständlicher Feierlichkeit das letzte große Punktum
gesetzt. Bald nach Martini zwar ist ein fahrender Geselle gekommen, der
erzählte im Wirtshaus, es sei Fried' im Reich, und er selber habe ge¬
sehen, wie die Bauern drunten am Strom auf der Heerstraße ihre Schweine
zu Markt getrieben hätten; aber niemand glaubte es ihm. Einer holte
den alten Schulmeister. Der fühlte dem Fremden auf den Zahn durch
allerlei Fragen. Als der Geselle erzählte, daß er auf der hohen Schule
zu Padua gewesen sei, und daß man dort jetzt den Stoßdegen unter dem
Rockschoß trage, da raunte der Schulmeister den andern zu: „Traut ihm
nicht, 's ist ein Lateinischer," und schier gar hätte der Wandersmann für
seine Friedensbotschaft Schläge bekommen.
So wähnten sich die Leute mitten im Krieg. Wer etwas in Feld
oder Wald zu schaffen hatte, nahm einen guten Gesellen mit. Abwechselnd
trugen sie das Feuerrohr, und ehe sie an die Arbeit gingen, suchten sie
das Umland ab; während der eine Holz machte oder ackerte, stand der
andere auf Wache. Einige Male hatten sich Gewasfnete gezeigt; die
wurden durch Schüsse vertrieben. Ob es versprengte Soldaten waren
oder Raubgesindel, wußte man nicht. Allsonntäglich fügte der Pfarrer
dem großen Kirchengebet die Bitte um den edlen Frieden bei, und
fast alle andermal ließ er sein Lieblingslied singen: „Ach Gott vom
Himmel, sieh darein und laß dich es erbarmen!" Er war stimmlos,
seit ihm die Kroaten den Schwedentrunk mit heißem Wasser gegeben
hatten, und er hatte seitdem keine gute Stunde mehr. Aber er versah
noch sein Dienstlein, und die Leute verstanden ihren Hirten, auch konnten
sie sich alle nah zu ihm heransetzen. Krieg, Pest und Hunger hatten
aufgeräumt.
So war der Tag vor dem Christfest herangekommen. Niemand dachte
mehr an die Friedensbotschaft des Lateinischen. Nur eine hatte sie nicht
vergessen. Das war des Nachtwächters alte Mutter. Sie hatte vor
fünf Jahren ein böses Gelübde getan. Das quälte sie jetzt, denn sie lag
im Sterben. Es war an einem Wintertag, da trugen sie ihr den Mann
tot ins Haus. Vorübersprengende Reiter hatten ihn Mutwillen
geschossen, als er auf einem gefällten Stamme saß und sein Brot ver¬
zehrte. Damals fluchte sie dem Herrgott, weil er solch himmelschreiende
Greuel geschehen ließ, und sie gelobte, nicht mehr zum Nachtmahl zu
gehen, solange der Krieg währe. Jetzt lag sie krank zu Bett und wußte,
daß sie sterben müsse, und sehnte sich nach der heiligen Kost. Aber als
der Pfarrer ihr zuredete, sie solle der Sehnsucht Genüge tun, denn ihr
Gelübde sei gottlos gewesen, da wandte sie sich zur Mauer und gab keine
Antwort.