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manche Insel stehe unter der geheimen Herrschaft ganz besonderer Hexen^
und dem bösen Willen derselben sei es zuzuschreiben, wenn den vorbei¬
fahrenden Schiffen allerlei Widerwärtigkeiten begegnen. Als ich voriges
Jahr einige Zeit auf der See lag, erzählte mir der Steuermann unseres
Schiffes, die Hexen wären besonders mächtig ans der Insel Wight und
suchten jedes Schiff, das bei Tage dort vorbeifahren wolle, bis zur Nacht¬
zeit aufzuhalten, um es dann an Klippen oder an die Insel selbst zu
treiben. In solchen Fällen höre man diese Hexen so laut durch die Luft
sausen und um das Schiff herumheulen, daß der Klabotermann ihnen nur
mit vieler Mühe widerstehen könne. Als ich nun fragte, wer der Klaboter¬
mann sei, antwortete der Erzähler sehr ernsthaft: Das ist der gute, un¬
sichtbare Schutzpatron der Schiffe, der da verhütet, daß den treuen und
ordentlichen Schiffern Unglück begegne, der da überall selbst nachsieht und
sowohl für die Ordnung wie für die gute Fahrt sorgt. Der wackere
Steuermann versicherte mit etwas heimlicherer Stimme, ich könnte ihn
selber sehr gut im Schiffsräume hören, wo er die Waren gern noch besser
nachstaue, daher das Knarren der Fässer und Kisten, wenn das Meer
hoch gehe, daher bisweilen das Dröhnen unserer Balken und Bretter; oft
hämmere der Klabotermann auch außen am Schiffe, und das gelte dann
dem Zimmermann, der dadurch gemahnt werde, eine schadhafte Stelle un¬
gesäumt auszubessern; am liebsten aber setze er sich auf das Bramsegel
zum Zeichen, daß guter Wind wehe oder sich nahe. Auf meine Frage^
ob man ihn nicht sehen könne, erhielt ich zur Antwort, nein, man sähe
ihn nicht, auch wünsche keiner ihn zu sehen, da er sich nur dann zeige,
wenn keine Rettung mehr vorhanden sei. Einen solchen Fall hatte zwar
der gute Steuermann noch nicht selbst erlebt, aber von andern wollte er
wissen, den Klabotermann höre man alsdann vom Bramsegel herab mit
den Geistern sprechen, die ihm untertan sind; doch wenn der Sturm zu
stark und das Scheitern unvermeidlich würde, setze er sich auf das Steuer,
zeige sich da zum ersten Male und verschwinde, indem er das Steuer
zerbräche. Diejenigen aber, die ihn in diesem furchtbaren Augenblick
sähen, fänden unmittelbar darauf den Tod in den Wellen.
Der Schiffskapitän, der dieser Erzählung mit zugehört hatte, lächelte
so fein, wie ich seinem rauhen, Wind und Wetter dienenden Gesicht nicht
zugetraut hätte, und nachher versicherte er mir, vor fünfzig oder gar
vor hundert Jahren sei auf dem Meere der Glaube an den Klabotermann
so stark gewesen, daß man bei Tische immer auch ein Gedeck für den¬
selben aufgelegt und von jeder Speise etwa das Beste auf seinen Teller
gelegt habe, ja auf einigen Schiffen geschähe das noch jetzt. —
Ich gehe hier oft am Strande spazieren und gedenke solcher see¬
männischen Wundersagen. Die anziehendste derselben ist wohl die Ge¬
schichte vom fliegenden Holländer, den man im Sturm mit aufgespannten
Segeln vorbeifahren sieht und der zuweilen ein Boot aussetzt, um den be¬