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Viertes Luch.
H i ft o r i f ch.
i.
Natur und Erde.
A.
Gegenden und Landschaften.
75. Teneriffa. *
Ans einer kleinen Ebene gelegen, von Gärten umringt und
beherrscht von einem Hügel, welcher mit einem Walde von Lor-
10. beern, Myrthen und Meerkirschenbäumen bekränzt ist, hat die
Hauptstadt von Teneriffa wirklich eine der lachendsten Lagen. Man
würde sich irren, wenn man nach der Erzählung einiger Reisenden
glaubte, sie liege an dem Ufer eines Sees. Die Regenwasser bilden
von Zeit zu Zeit einen ausgedehnten Sumpf; und der Geologe,
15. der überall mehr den vergangenen als den gegenwärtigen Zustand
der Natur erblickt, kaun keinen Zweifel hegen, daß nicht jene Ebene
ein großes ausgetrocknetes Bassin sei. Die Stadt ist von einer großen
Anzahl Windmühlen umgeben, welche den Anbau des Getreides in
diesen höhern Gegenden verkündigen. Eine große Anzahl Capellen,
20. welche die Spanier Ermitas nennen, umgeben die Stadt Laguna.
Beschattet von immer grünen Bäumen und auf kleine Erhöhungen
gebaut, verstärken die Capellen hier wie überall die pittoreske
Wirkung der Landschaft. Das Innere der Stadt entspricht nicht
ihrem Aeußern. Die Häuser sind von einer festen, aber sehr alten
25. Bauart, und die Straßen erscheinen verödet. Ein Botaniker darf
sich über das Alter der Gebäude nicht beklagen. Die Dächer und
die Mauern sind mit Sempervivum canariense und mit jener
schönen Trichomanes bedeckt, von welcher alle Reisende gesprochen
haben: häufige Nebel ernähren diese Pflanze.
30. Teneriffa, gleichsam am Eingang der Tropen gelegen, nimmt,
obgleich nur um einige Schiffs-Tagreisen von Spanien entfernt,
an den Schönheiten Theil, welche die Natur in den Aequinoctial-
* Nr. 75 und 76 von A. von Humboldt.