Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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neue Städte an und suchten die rohen Eingebcrnen allmählig an 
römische Sitten zu gewöhnen. Die Germanen verläugneten zwar 
keineswegs ihrer Väter Sitten, ihre Landesgebräuche, ihr Freiheits¬ 
gefühl und ihren Waffentrotz; doch hatten sie in friedlichem Um¬ 
gang durch Handel und Verkehr unvermerkt sich in die neue Lebens- 5. 
art gefunden. Als aber Quintilius Varus, ein übermüthiger 
und hochfahrender Mann, Statthalter in der Germanischen Provinz 
ward und mit raschem Eifer sie zu Römern umbilden wollte, ja 
Tribut von ihnen erpreßte und sie überhaupt als Sclaven behandelte, 
da fingen sie an, schwierig zu werden. Nicht nur die Häuptlinge io. 
suchten ihre frühere Gewalt wieder zu gewinnen, sondern auch das 
Volk fand die althergebrachte Weise annehmlicher, als die fremde 
Knechtschaft. Sich offen zu empören, durste man freilich nicht wagen, 
da die Macht der Römer besonders am Rhein hin zu stark war; 
man suchte daher den Varus durch verstellte Ergebenheit landein- 15. 
wärts bis an die Weser ins Land der Cherusker zu locken und 
durch freundliches Benehmen in dem Wahn zu bestärken, auch ohne 
Waffengewalt füge man sich seinem Befehl. Die List gelang. Varus 
ward ganz sicher, hielt seine Truppen nicht, wie es in Feindesland 
erforderlich ist, zusammen, sondern verendete sie auf den Rath 20. 
der Germanischen Häuptlinge, welchen er vertraute, bald gegen 
Nachbarvölker, bald gegen Räuber, um die Zufuhr zu sichern, bald 
hier bald dorthin. Die Angesehensten dieser Häuptlinge waren Ar¬ 
min ins und Seg im er. Sie begleiteten den Varus überall und 
besaßen sein Vertrauen in solchem Grade, daß er nichts weniger 25. 
als Täuschung ahnte und denjenigen, die ihm Vorsicht anriethen, 
unzeitige Besorgniß und Verleumdung Schuld gab. 
Nach verabredetem Plane erhoben sich einige entfernt wohnende 
Völker, theils um den übrigen Veranlassung zu geben, sich besser 
zu rüsten, theils um den Varus, während er gegen sie anrückte, 30. 
auf dem Hinzug besser in die Falle zu locken. Der Plan gelang 
nur zu gut. Arminius und Segimer begleiteten ihn eine Strecke, 
dann entfernten sie sich unter dem Vorwand, noch weitere Bundes- 
trnppen ihm zuzuführen. Nun zogen sie die an bestimmten Orten 
schon versammelten Truppeil an sich, brachten die zur Begleitung 35. 
erbetenen Römer um, rückten dann, als Barns sich in unwegsanren 
Wäldern befalid, aus ihn selbst los und legten die Maske ab. 
Die Lage der Römer war in der That schlimm. Mitten in 
Gebirgsschluchten, von dichter Waldung umgeben; Schritt vor Schritt 
die Wege erst zu bahnen; durch Wagen und Laslthiere, Weiber, 40. 
Kinder und den übrigen Troß der Marsch gehemmt; der Regen in 
Strömen, der Sturm faufeub, krachende Aeste und stürzende Bäume; 
der Boden schlüpfrig, jeder Schritt gefährlich, überall Verwirrung. 
Da stürzten Plötzlich als Feinde die Germanen voll allen Seiten 
heran, von den Höhen herab, durch dichtes Gehölz; aller Wege 45. 
kundig umflügeln sie rings. Anfangs schießen sie nur von weitem; 
dann, als sich niemand wehrt, dringen sie näher ein. Die Glieder 
zu schließen Ulid Reihen zu ordnen, war nicht möglich: Wagen, 
Wehrlose und Bewaffnete, alles war durcheinander: selbst au Zahl
	        
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