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der Schultheiß Nikolaus Thut." Sechshundert sechsundfünfzig war
die Anzahl der erschlagenen Grafen, Herren und Ritter, so daß
der Glanz der fürstlichen Hoflager für viele Jahre untergieng und
im Lande gesprochen wurde, Gott sei zu Gericht gesessen über den
nmthwilligen Trutz der Herren von Adel. Nachdem auf beiden 5.
Seiten fast alle Befehlshaber so oder anders geblieben, unterlag der
Zorn der Sieger der Arbeit und Hitze des Tages; ruhig folgten
die Oesterreicher der Begierde'des Lebens; die Schweizer, da sie zu
dem Troß gekommen, der Begierde der Beute.
Dieses Ende nahm der große Tag der Sempacher Schlacht, in 10.
welcher Arnold Strutthan von Winkelried mit Aufopferung seines
Lebens die Blüthe der schweizerischen Mannschaft von ihrem Unter¬
gang, das Vaterland von äußerster Gefahr gerettet. Es ist wahr,
daß die Feinde die Unbehülflichkeit ihrer Schlachtordnung, ihre Un¬
geschicklichkeit im Fußgefecht, ihre unwissende Feindesverachtung und 15.
ihre ftürnüschen Rittertugenden selbst wider sich hatten. Unsere Väter
kannten die Gegenden des Landes und bedienten sich der Vortheile,
welche dieselben bis auf diesen Tag tausendfältig darbieten. An
Fertigkeit in Handgriffen und mancherlei Uebungen wurden sie auch
damals übertroffen. Ihr Krieg war (wie ihre Seelen) simpel, groß 20.
und stark. Wurden sie durch fremde Kunst in ihrem Gang aufge¬
halten, so half, wie bei Sempach, eine außerordentliche That, wozu
ihr Heldensinn ihnen den Gedanken und ihre gesunden Körper die
Mittel darboten. Mit Winkelrieds Gemüth und mit solchem Fu߬
volk würden Wunder von Standhaftigkeit bewiesen worden sein, 25.
auch wenn es darauf angekommen wäre, eine wohlbediente Artillerie
wegzunehmen, oder ihr Feuer zu unterlaufen. Denn alle Waffen,
welcher Form sie seien, mögen übermeistert werden durch einen
Hellen Verstand und unbezwingbare Seelen. Darum, nach dem
Urtheil der vortrefflichsten Kriegsmünner unserer Zeit, würde in Be- 30.
Häuptling unserer Freiheit und Eidgenossenschaft, wenn die Gemüther
mir noch dieselben sind, auch der Ausgang nicht verschieden sein.
Denselben Tag ergieng an Zürich, Bern, Zug und Glaris die
Botschaft von der Landesrettung. Am Tage nach der Schlacht, als
eine fliehende Partei in Surfte schon ereilt und erschlagen worden 35.
war, gaben die Schweizer einen Waffenstillstand, um die Todten zu
begraben. Der Fürst von Oesterreich wurde mit sechzig erschlagenen
Herren und Rittern in das Kloster Königsfelden geführt; er wurde
bestattet in der marmornen Gruft, wo die Königin Agnes mit an¬
dern ihres Hauses ruhete; die Herren von Aargau wurden in die 40.
Gräber ihrer Vorältern gelegt, alle übrigen in die Wahlstatt in
große Gruben; zweihundert erschlagene Eidgenossen wurden zu Luzern
begraben. Für die Ruhe der Seelen, ohne Unterschied, ob sie
Freunde oder Feinde gewesen, wurde eine ewige Jahrzeit verordnet.
Winkelried ist billig bis auf diesen Tag in hohem Ruhn: bei feinem 45.
Volk; es liegt allen Völkern und ihren Geschichtschreibern ob, zu
zeigen, daß ein solcher Held itt einem Nun unsterblich wird und alle
guten Bürger zu Vätern und Brüdern seiner Enkel macht. Die
Sieger, nachdem sie, ihrer Sitte gemäß, drei Tage lang auf der