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dem Anschlage des kaiserlichen Edicts gehört: Wir kommen, lieber
Spalatine, obschon der Satan mir zum Hinderniß vielerlei Unpä߬
lichkeit in den Weg gelegt hat; denn den ganzen Weg von Eisenach
bis hierher bin ich unpaß gewesen und auch noch anjetzo auf eine
5. mir unbekannte Weise. Ich höre auch, daß des Kaisers Caroli
Mandat mir zum Schrecken sei herausgegeben worden. Christus
aber lebet, derohalben wollen wir hinein zu Worms, zu Trotz
allen höllischen Pforten und denen, die in der Luft herrschen. Ich
habe mir fürgesetzet, den Satan zu schrecken und zu verachten.
10. Machet uns also die Herberge zurecht.
Zu Oppenheim ließ ihn Spalatin ermahnen, er möchte sich
nicht so geradezu nach Worms und in solche Gefährlichkeit begeben.
Hierauf entbot er demselben: Und wenn auch so viel Teufel §u
Worms wären, als Ziegel auf den Dächern, doch wollt ich hinein.
15. Als er dieses wenige Tage vor seinem Ende erzählete, setzte er
hinzu: Denn ich war unerschrocken, furchte nrich nichts: Gott kann
einen wohl so toll machen; ich weiß nicht ob ich jetzt auch so
freudig wäre.
Am 16. April kam er in Worms an. Vor dem Wagen ritt
20. der kaiserliche Herold in seinem Habit, mit des Adlers Wappen, und
sein Knecht. Dem Wagen folgte Justus Jonas mit seinem Famulus.
Viele von Adel waren ihm entgegen gefahren, und als er um zehn
Uhr Morgens in die Stadt fuhr, begleiteten ihn mehr denn zwei¬
tausend Menschen bis in sein Quartier nicht weit vom Schwan,
25. wo Ludwig, Kurfürst von der Pfalz, logirte.
Gleich am folgenden Morgen wurde er von dem Reichserb¬
marschall von Pappenheim eitirt, auf Nachmittag in dem Reichs¬
rath zu erscheinen, und dieser Herr holte ihn selbst um vier Uhr ab
und gieng nebst dem Herold vor ihm her. Das Gedränge des
30. Volks auf den Straßen war so groß, daß viele, um ihn zu sehen,
auf die Dächer stiegen und man, der Menge auszuweichen, durch
einige Häuser und Gärten gieng. Als Luther in den Versamm¬
lungssaal treten wollte, klopfte ihm der berühnlte Feldherr Georg
Frundsberg auf die Schulter und sprach: Münchlein, Münchlein,
35. du gehst jetzt einen Gang, einen solchen Stand zu thun, dergleichen
ich und mancher Obrister auch in der allerernstesten Schlachtordnung
nicht gethan haben. Bist du auf rechter Meinung, und deiner Sache
gewiß, so fahre in Gottes Namen fort und sei nur getrost, Gott
wird dich nicht verlassen. Ulrich von Hutten hatte ihn gleichfalls
40. durch zwei herrliche Schreiben aufgerichtet, welche überschrieben sind:
Martin Luther, dem unüberwindlichen Theologo und Evangelisten,
meinen! heiligen Freund. Das erstere hebt also an: Der Herr er¬
höre dich am Tage der Noth! Der Name des Gottes Jakob schütze
dich! er sende dir Hülfe vom Heiligthum und stärke dich aus Zion!
45. er gebe dir, was dein Herz wünschet und bestätige alle deine An¬
schläge, er erfülle alle deine Bitten und erhöre dich von seinem
heiligen Himmel! Denn was soll ich euch, allerwerthester Luther,
ehrwürdigster Vater, zu dieser Zeit anders wünschen? seid getrost
und werdet stark. Ihr sehet, was es mit euch für ein Spiel werde