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der Rache, der Wollust. Raub, Mord und Schändung wurde in
den Häusern, in den Kirchen, ans den Straßen verübt. Die Kunde
von der Eroberung Magdeburgs setzte das an so viel Gräßliches
gewöhnte Geschlecht in dumpfes Erstaunen. Außer denen, die in
5. den Häusern verbrannten, sollen über zwanzigtausend Leichen theils
begraben, theils in die Elbe geworfen worden sein. Unter den
Unlgekommenen befanden sich die meisten Glieder des Stadtraths,
der sich bei dem Schreckensrufe auf dem Rathhaus versammelt hatte,
bald aber von den Flammen vertrieben wurde. Mit dieser uralten
10. Werkstätte des germanischeu Rechts, aus welcher viele Jahrhunderte
hindurch die meisten Städte im östlichen Theile des Reichs, bis
tief nach Polen hinein, Satzungen ihrer bürgerlichen Ordnung und
Entscheidung über schwierige Rechtsfragen geholt hatten, mögen
unzählige Schriftstücke verzehrt worden sein. Die Stadt ward ein
15. Schutthaufen; nur der Dom, zu dessen Rettung die kaiserlichen
Befehlshaber ihre Leute antrieben, das Frauenkloster und hundert
und neun und dreißig Fischerhütten an der Elbe entgiengen dem
Feuer. Auch die Häuser und die Leiber derjenigen, welche, mit
Pappenheim einverstanden, ihm die rechte Stunde des Unternehmens
20. kund gethan hatten — wenn die Angabe wahr ist —, blieben nicht
verschont; der Verrath verlor aber mit dem Lohne auch die Schande
des namhaften Andenkens. Dagegen rettete die Reiterei der Be¬
satzung , die unter ihren Führern vor der Domkirche sich aufgestellt
hatte, durch Ergebung in die Gefangenschaft ihr Leben. Rach dem
25. Urtheil der Kriegsverständigen wäre sie stark genug geweseu, die
eingedruugenen Pappenheimer, ehe dieselben den andern Kriegs¬
haufen die Thore geöffnet hatten, ihr gewagtes Spiel theuer be¬
zahlen zu lassen.
Am dritten Tage ritt Tilly durch die rauchenden Trümmer
30. und ließ unter Trommelschlag Quartier ausrufen. An der Thür
der Domkirche trat ihm ein alter Geistlicher, der Domprediger
Back, mit einer Menge Menschen, meist Frauen und Kindern,
welche zwei Tage und Nächte ohne Nahrung zugebracht hatten,
mit den Worten Virgils entgegen:
35. Venit summa dies et ineluctabile ternpus
Dardaniae. Fuimus Troes. Fuit Ilium et ingens
Gloria Teucrorum.
Der General wiederholte die Zusage der Gnade und ließ unter
die halb Verhungerten Brod austheilen, dann besichtigte er die ge-
40. fangenen Soldaten, und schalt sie aus, daß sie sich nicht besser
gewehrt und von der Stadt das Unglück abgewendet hätten. * In
der That war der Untergang Magdeburgs auch für den Sieger,
der auf einen Wafsenplatz und Stützpunkt an der Elbe gerechnet
hatte und statt dessen eine öde Brandstätte vorfand, ein harter Ver-
45. lust. Mit Schmerz sah er seine früher gehegten Besorgnisse erfüllt,
und traf nun Anstalten die Ordnung herzustellen, ließ die Pappen¬
heimischen Regimenter, die bisher auf dem alten und neuen Markte
* Inventarium Sveciae II. p. 313.