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IV. Die Dichtung im Zeitalter der Reformation.
O
3. Da saß eine falsche Nonne,
Die tät, als wenn sie schlief,
Sie tät die Kerzen auslöschen,
Der Jüngling ertrank so tief.
4. Es war am Sonntag Morgen,
Die Leut' waren alle so froh,
Bis auf die Königstochter,
Die Äuglein saßen ihr zu.
5. „Ach Mutter, liebe Mutter,
Mein Kopf tut mir so weh,
Könnt ich nicht spazieren gehn
Wohl an die grüne See?"
6. „Ach Tochter, liebe Tochter,
Allein sollt du nicht gehn,
Weck' auf deine jüngste Schwester,
Und die soll mit dir gehn.
7. „Ach Mutter, liebe Mutter,
Meine Schwester ist ein Kind,
Sie pflückt ja alle Blümlein,
Die an dem Strande sind."
8. „Ach Tochter, liebe Tochter,
Allein sollt du nicht gehn,
Weck' auf deinen jüngsten Bruder,
Und der soll mit dir gehn."
9. „Ach Mutter, liebe Mutter,
Mein Bruder ist ein Kind,
Der schießt ja alle Vöglein,
Die an dem Strande sind."
10. Sie schwang sich um ihren Mantel
Und ging wohl an den Strand,
Sie ging so lange zu suchen,
Bis sie den Fischer fand.
11. „Ach Fischer, lieber Fischer,
Willt du verdienen Lohn,
So greif mir aus den Wellen
Einen reichen Königssohn!"
12. Er warf sein Netz ins Wasser,
Die Lote sanken zu Grund,
Er fischte und fischte so lange,
Bis er den Königssohn fand.
13. Sie nahm ihn in ihre Arme,
Sie küßte seinen Mund.
„Ach, Liebster, könntest du reden,
So wäre mein Herz gesund!"
14. Was nahm sie von ihrem Haupte?
Von Golde so schwer ihre Krön':
„Nimm hin, du armer Fischer,
Hab' dein verdientes Lohn!"
15. Was zog sie von ihrem Finger?
Einen Ring von Golde rot:
„Nimm hin, du armer Fischer,
Kauf deinen Kindern Brot!"
16. Sie schwang sich um ihren Mantel,
Sie sprang wohl in die See:
„Gut Nacht, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nun nicht mehr!"
17. Da hört man Glocken läuten,
Da hört man Jammer und Not.
Da liegen zwei Königskinder,
Sind alle beide tot.
6. Zwei Wasser.
1. Ach Elslein, liebes Elslein mein,
Wie gem wär ich bei dir!
So sein zwei tiefe waßer
Wol zwischen dir und mir.
2. „Das bringt mir große schmerzen,
Herzallerliebster gsell!
Red ich von ganzem herzen,
Hab's für groß ungefell!"
3. Hoff, zeit werd es wol enden,
Hoff, glück werd kummen drein,
Sich in als guts verwenden,
Herzliebstes Elselein!